Und jetzt werden wir Möglichkeiten des Atmens einfangen. Und des Zuhörens. Und was das impliziert. Und wir werden etwas bereitstellen und einschleusen, was sich unterscheiden wird von dem, was wir für uns beanspruchen. Das ist, was entsteht. Wir werden das, wir werden uns ausdehnen. Ganz klein, nicht weit, jedenfalls ohne dass es bemerkt werden kann. Wir werden anfangen und dann wieder anfangen, genau da, wo kein Anfang ist. Wir werden anfangen, wo wir anfangen können, ohne je anfangen zu müssen.
Es kommt nur auf das Nächste an, auf das nächste Anfangen, das Nächste anzufangen. Eines fängt das Nächste an, das wiederum das Nächste anfängt. So werden wir anfangen. Täglich. Wir werden weitermachen und in Bewegung bleiben. Wir werden aufspalten und teilen, was zu groß ist. Denn wir werden klein werden, wir werden weniger werden. Wenn wir weniger sind, sind wir schneller. Und wir werden schneller werden. Das ist die Praxis, das ist der Grund. Wir werden das Atmen ins Gedächtnis zurückrufen, ohne Unterlass, wir werden uns Koinzidenzien geben und es wird kommen. Wir werden darauf bestehen.
Jede erdenkliche Geschichte handelt vom Anfangen. Weil jede Geschichte irgendwann anfängt, aber auch, weil das Große Gemurmel, das sie hervorbringt, darauf besteht, sich mit einem Räuspern zu Gehör zu bringen.
Es wird die lahmen Strukturen weiten und wieder zusammenziehen, es wird sie beweglich machen und mit kleinen Gelenken versehen, so klein, dass wir sie nicht weiter beachten werden, da wir dann schon weiter sind. Was wir weiten und zusammenziehen und das, was wir gehört haben werden, federt uns weiter. Den Druck werden wir nicht ausgleichen müssen. Die Praxis beginnt in ihrem kleinsten Teil. Mehr braucht sie nicht, denn da ist sie noch nicht nachlässig und am wenigsten logisch. Da beginnt der Tanz zwischen Silbe, Wort und Zeile, zwischen Satz und Text und den anderen Texten. Da werden wir anfangen.
Der Anfang der Bescheidenheit.
Ein runzeliger Zettel im Portemonnaie meiner Mutter: Die Distel. Sie blüht nur im Schatten anderer. Der Zettel war säuberlich ausgeschnitten und hinter den frisch geglätteten Zwanzigmarkscheinen verborgen. Ich prüfte gelegentlich, ob er noch dort steckte. Als meine Mutter starb, lag ihr Portemonnaie im Korb auf der Anrichte, wie immer. In der Klinik hatte sie kein Geld gebraucht. Ich öffnete es leicht beschämt, als täte ich etwas Verbotenes, und wollte den Zettel herausholen. Aber ich fand ihn nicht. Als ich später meinen Vater danach fragte, wusste er nicht, wovon ich sprach.
Und wir werden so lange hämmern und feilen und trimmen, bis wir die Unterschiede kennen und registrieren, was auch in den kleinsten Partikeln geschieht, wie etwas gebaut ist, wie die Wörter sich fixieren, sich in- und untereinander schieben, Regeln ändern, solange bis ein Wort oder eine Silbe nicht mehr in einzigen Tag hineinpasst, bis wir die Faltungen dieser Textgebilde nicht mehr glätten, sondern nur noch wiederholen, nur noch weiter verfalten können. Wir werden nichts mehr wissen, weil das Wissen alles zwischen den Falten austrocknet, bis es knistert und bricht.
Sehnsucht nach Sämigem. Where is my chicken broth? Nach lange Durchgekochtem. Nach Pudding und weißem Toastbrot. Aufgedunsen sein. Mit den Gänsen zum Mond wollen, aber sie kapieren es nicht. Mit den Gänsen am Boden bleiben und Fett nagen. Mit Federkielen in die Käsekruste stechen. Darunter suppt kochender Brei, wenn der dir in die Kehle dringt: Ende vom Lied.
Das Wissen ist die Praxis und die Praxis des Wissens ihre Wiederholung, ihr Wiedererkennen und unbedingtes Verändern. In den vorübergehenden Konturen solchen Wissens, das es nicht mehr gibt, werden wir, was so prozessiert wird, Theorie nennen. Die Theorie kommt in der Praxis ins Spiel. An jedem Hindernis, denn nur aus Hindernissen besteht diese Praxis und ihr Wissen kennt nur Umwege. Denn Bedingung dieser Praxis ist, jeden anderen als den Umweg zu vergessen. Wir werden auch die Umwege der Umwege vergessen und zu jeder Zeit nicht zurückkehren können.
Unser faules Herz wird sich zurücksehnen zu solchen Anfängen, doch wir fangen nur und wissen nichts von Anfängen. Wir werden keine Vergleiche ziehen, Metonymien den Metaphern vorziehen, und auch die werden wir jede Sekunde im Auge behalten und wieder vergessen. Wir schreiben nachlässige Vektoren, fügen jedem Augenblick Kontrastmittel zu, gehen jedem Argument voraus, finden die Form in den Formen, in den Falten und Friktionen der Formen.
Durch die Landschaften, diese versuchsweise Anordnung der Dinge, diesen essai hindurch kehre ich immer wieder zurück zu jener einen Szene, in der sich mir damals, als ich sie zum ersten Mal sah, etwas zu zeigen schien, das ich nicht formulieren, sondern höchstens wiederfinden konnte in Verhältnissen von ähnlicher, von analoger Struktur, als Verwandtschaften, Wiederholungen, Parallelen.
(Dorothee Elmiger, Aus der Zuckerfabrik)
Das heißt, auch wir bewegen uns vom Futur ins Präsens, entdecken das Futur als verkleidetes Präteritum, als dessen negative Wunschstruktur, die ohnehin immer gegenwärtig ist und die uns als Handelnde intoxifiziert. Wir fangen an zu strampeln in dem Strudel, den wir selbst verursacht haben, uns zu bewegen in der permanenten Verschiebung, ohne die wir nicht sprechen können, etwas zu konstruieren in dem vielgestaltig sich erneuernden Widerstand, ohne den wir nicht schreiben können. Verschiebung und Widerstand markieren das Feld, auf dem sich Texte konstituieren und zueinander in Beziehung treten.
Alles auf diesem Feld steht für etwas anderes und steht für dieses andere ein. Eines schiebt sich auf und über das andere. Es steht da, wo wir eben noch sein anderes vermutet haben. Seine Drift ist ebenso präsent wie uneinholbar. Ein Satz oder ein Text oder ein Satz als Text, jede Phrase oder Silbe sind Möglichkeitsformen füreinander und in diesem Feld. Sie sind da, sie schieben sich in dieses Feld, werden verteilt oder untergepflügt, tauchen wieder auf. Sie sind da.
Die Verschiebungen, die wir vollziehen, denen wir uns unterziehen und die uns fort- und vorüber- und herbeiziehen, sind die Beziehungen der Texte und Silben und Sätze untereinander. Sie sind ihre Geschichte. Die Geschichte und die Geschichten, die wir erzählen und die uns erzählen, die sich als stete Verschiebungen prozessieren, werden durch Widerstände hervorgebracht und sie stoßen sich daran. Sie müssen sie ständig überwinden und scheitern daran. Sie verkörpern diese Widerstände. Sie sind ihre Wirklichkeit.
ZERO by Robert Creeley for Mark Peters Not just nothing, Not there’s no answer, Not it’s nowhere or Nothing to show for it – It’s like There’s no past like the present. It’s all over with us. There are no doors… Oh my god! Like I wish I had a dog. Oh my god! I had a dog but he’s gone. His name was Zero, something for nothing! You like dog biscuits? Fill in the blank. | ZERO nicht einfach nichts nicht, dass da keine Antwort gibt nicht, dass es nirgends ist oder nichts davon zu sehen – es ist wie: damals wird nie wie heute sein. es ist vorbei mit uns. da sind keine Türen… oh mein Gott! wie: hätte ich doch einen Hund oh mein Gott! ich hatte einen Hund, doch er ist weg sein Name war Zero irgendwas wie nichts mögen Sie Hundekeks? da, wo leer ist | ZERO Nicht: einfach nur nichts. Nicht: nix sagen. Nicht: nix da oder Nicht der Rede wert Eher so: Heute ist das beste Früher. Mit uns Ist es aus und vorbei. Keine Türen… Mein Gott! So: Ich hätte so gern einen Hund. Mein Gott! Ich hatte einen, doch der ist weg. Er hieß Zero, sowas wie nichts! Magst du Hundekekse? Füll die Lücke. |
Das Wir, von dem wir hier so oft schreiben, ist eine community. Es bildet einen weiten Mantel mit Faltenwurf und Kapuze. Creeley sagt aber: It’s all over with us. Alles wird eingeschrumpft. Der Zettel meiner Mutter sagt: Falte mich und bewahre mich. Halte still, deine Schönheit liegt im Schatten allein, alles andere ist giftig.
Wünsche: Ich suche meine Mütze und gehe spazieren. Ich sitze auf einem Baumstamm und reibe mit dem Schuh die faulige Rinde vom Holz. Ich vergesse den Laptop am Anlegesteg und, längst ganz woanders, lache, als ich es bemerke. Ich gehe über eine Verschiebung, spüre den flüssigen Grund unter den Füßen und die Festigkeit meiner Beine. Wir, denke ich und wundere mich über den Klang dieses tausendfach gedachten und gesprochenen Wortes.

Die kontinuierliche Drohung der Leere. Alles was ich weiß oder wusste, beginnt mit der Leere. Die wiederkehrende Gefahr, dass man fallen wird, aus einer Welt des Handelns, in der Selbst und Welt zu einer Welt der Beschreibung vereint sind. Also spinnen wir endlose Netze, um die Verbindung wieder herzustellen, aber diese Netze tragen Spuren unseres begrenzten Wesens mit spöttischer Gelassenheit. Ich bin ein ausgestopfter Vogel, der nicht in der Lage ist, sich zu bewegen.
Die Sprache überbrückt die Leere zwischen innerer Realität und äußerer Manifestation. Die Plötzlichkeit, das Gewundene, das ein Innehalten fordert, das Baumeln am Rande und die Rettung der Mehrdeutigkeit. Es folgt nichts. Mein vages Reden gibt nichts, an dem wir uns festhalten können. Es vertieft die Dunkelheit, verschiebt die Stille hin zu einer unechten Sprache, statt sich einer referentiellen Ordnung zu widmen. Sie windet sich wie eine Schlange um die Leere, verteidigt sich nicht, bedeckt sich nicht, bewegt sich außerhalb von Kohärenzen und Ordnungen, die es nicht verwalten kann.
Die Vieldeutigkeiten des Gegenwärtigen, in dem alles benannt ist, so dass man Zeichen sieht und nicht sich, transparent und frei von Bedeutung, frei von Resonanz. Mein erkenntnistheoretisches Versagen, einen sicheren Boden zu finden, ergibt die Bedingungen für Wörter und Sätze, für die notwendige Isolation, für die Erfahrung der Abwesenheit des immer instabiler werdenden Selbst zu sich selbst.
“A face that is no face / but the features, of a face, pasted / on a face until that face / is faceless, answers by / a being nothing there / where there was a man.”
(Robert Creeley)
