Beinahe 45 Jahre ist es her, seit Bernhard Paul und André Heller in Wien unter dem Titel „Die größte Poesie des Universums — Zirkus als Gesamtkunstwerk“ ihre erste Show gegeben haben. Seither steht der Circus Roncalli für „lachen, träumen und staunen“.
Um seine Fans auch während der aktuellen Pandemie weiterhin unterhalten und verzaubern zu können, hat sich der Traditionszirkus etwas Besonderes ausgedacht: Eine Live-Open-Air Zirkus-Show, dafür konzipiert, sie aus dem Inneren des eigenen Autos zu genießen.
Präsentiert wird die Vorstellung im Zuge der Reihe „Autokultur“, einem gemischten Kulturprogramm aus Kino, Konzerten, Comedy und anderen Events, die das Zuschauen aus Autos heraus ermöglichen.
Bereits vor Showbeginn werden die Besucherinnen von zwei Stelzenläuferinnen, die als weiße Schmetterlinge verkleidet durch die Autoreihen gehen, begrüßt. Kurz darauf beginnt das eigentliche Programm. Clowns, Artistinnen, Zauber- und Wortkünstlerinnen wechseln sich in gleichmäßigem Tempo ab und sorgen so für einen ausgeglichenen, „bunten“ Abend. Die Darbietungen sind ein Mix aus wahren Klassikern wie „der schnellsten Modenshow der Welt“ vom scheinbar magischen Dou Minasov und neueren Elementen wie den „fetten Beats von Clown Robert.“ Stargast des Abends ist Lili Paul-Roncalli, Tochter des oben genannten Gründers Bernhard Paul, die eine Kontorsionsnummer im Gepäck hat. Showmäßig ist eine gelungene Reise in das Zirkus-Traumland also garantiert.
Autos in der Manege
Aber kann das Konzept Zirkus ohne Manege, ohne Geruch nach Popcorn und Sägespänen und ohne Publikumsnummer mit den Clowns funktionieren?
Die Antwort ist ein klares Jein. Natürlich fehlt der vertraute Rahmen zum alt bewährten Zirkus-Feeling. Es gibt kein Zelt, stattdessen wird die Show auf einer großen Bühne gezeigt, vor der die Autos in Reihen stehen. Links und rechts vom Live-Geschehen sind große Monitore, die mehrmals die Bilder in der Totale zeigen, was gerade für die Zuschauerinnen in den hinteren Reihen wenig sinnvoll ist. Der Ton wird via Radiofrequenz übertragen. Die Interaktion der Zuschauer*innen mit Hilfe von Blinkern und (verbotenerweise) Autohupe kämpft gegen die Isolation zur restlichen Masse, die das vereinzelte Sitzen kleiner Grüppchen in den jeweils dazugehörigen Autos eben mit sich bringt. Kein Johlen, kein Fußgetrampel.
Aber eben auch niemand, der einem von hinten in den Sitz tritt, der lautstark sein Popcorn futtert, oder unangenehm riecht. Das wiederum sind Vorteile der Auto- Lounge, in der man ganz unter sich ist. Außerdem kann kommentiert und gelacht, oder es können Fotos geschossen werden, ohne dass sich um etwaige genervte Nachbarn gesorgt werden muss. Die durch die Pandemie ausgelösten Maßnahmen bezüglich Kulturveranstaltungen haben also sowohl Vor- als auch Nachteile.
Ob das Live-Erlebnis als solches empfunden wird, hängt höchstwahrscheinlich auch damit zusammen, wie nah das Auto mit den Zuschauenden der Live-Performance ist. Je weiter das Geschehen entfernt ist, desto mehr richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Bildschirme, was die Wahrnehmung von Live-Show vs. Fernseh-Show stark beeinflussen kann. Was die Stimmung im Auto und den rundherum perfekten Abend betrifft; so liegt es ja schließlich an jedem selbst, was man daraus macht.