Slow Reading Club 14

Ulf Stolterfoht:
holzrauch über heslach

Wir lesen und hören Ulf Stolterfoht, denn schon beim Lesen hören wir. So deutlich scheinen uns die Worte, so einfach und einprägsam. Die ganze Zeit schwingt der Klang beim Lesen mit.

»Das ist aber ein bisschen zu einfach gesagt: Das sind halt Wortspiele. Es geht nur um Klang!«

Annette Pehnt

Es geht auch um Ordnung und um Unordnung in der Ordnung. Zahlen, die eine Ordnung suggerieren. Worte, die Sicherheit vermitteln. Zeilen, die sich strophenmäßig aufbauen. Und dann kommt doch alles anders: Auftritt des Unerwarteten, das in Reih und Glied hineintritt.

»neun schienen sind uns gegeben. neun schienen. neun. die summen wie
bienen. wie hummeln. uns zu erfreun.«

Ulf Stolterfoht

Wir fangen in unseren Interpretationsversuchen an zu spielen. Unsicher erst, dann mit immer mehr Freude. Und indem wir schreiben, spielen wir das Spiel weiter …

Anonym

Du bist aufgewachsen hier,
im Haus im Wald,
Felder als Nachbarn,
ein Hirte bringt seine Schafe her,
schwankt dabei, 
Äthylismus, 
der Briefkasten voller Ohrenzwicker,
Dermaptera,
Kröten und Frösche am Boden,
Nacktschnecken kriechen 
die Hauswände empor.
Ihr seid vier Kinder,
drei Kaninchen,
Leporidae,
ihr Käfig nicht größer als Du,
ein Schäferhund,
FCI-Standard Nr. 166,
Hüte- und Treibhunde, 
nicht für Anfänger geeignet, 
Zeuge von § 171 StGB,
Ihr seid vier Kinder,
vielleicht vier zu viel,
schließ nicht die Tür.

Ihr habt zwei Eltern,
groß wie Riesen
und laut
und leise, viel zu leise,
und traurig und wütend und zornig
und nie da 
und immer da
und Götter und Dämonen,
schließ nicht die Tür.

Du liest heute Lehrbücher
über Verwahrlosung, Vernachlässigung,
psychische und körperliche Gewalt,
psychischen und körperlichen Missbrauch,
Deprivation.
Standardwerke,
erschienen Jahre nach dem Haus im Wald,
schließ nicht die Tür.

Ihr seid umgezogen,
Du warst zehn, vielleicht elf,
Reihenhaus in Neubaugebiet-Idylle,
rote Ziegelsteinstraßen, verkehrsberuhigt,
die Straßenschilder sauber,
die Spielplätze beliebt, 
die Nachbarn bringen ihre Kinder her.
§ 8a SGB VIII.
Du wohnst im Kellergeschoss,
Weinbergschnecken an den Fenstern,
ihre Unterseite zu Dir,
Ihr seid vier Kinder,
drei Kaninchen,
Leporidae,
ihr Käfig nicht größer als Du,
ein Schäferhund,
nicht für Reihenhäuser geeignet,
lebt nun im Kellerbad,
fast den ganzen Tag,
bellt, jault, winselt,
Opfer von  § 17 TierSchG,
Zeuge von § 171 StGB,
schließ nicht die Tür.

Du liest heute Lehrbücher
über Verwahrlosung, Vernachlässigung,
psychische und körperliche Gewalt,
psychischen und körperlichen Missbrauch,
Deprivation,
über Nachbarn, die nichts merkten,
während Ihr Garten an Garten,
Hauswand an Hauswand wohntet.
Standardwerke,
erschienen Jahre nach dem Reihenhaus
in der Neubaugebiet-Idylle,
schließ nicht die Tür.

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Dennis Brock

Holzrauch über Heslach und ich sag, hey Ulf, bist ja ein richtiger Rapper. 
Nine, Nine, aber ich biete zehn, denn ihr müsst verstehn, zehn ist mehr als nine. Ha, ha, habt ihr den Gag gecheckt? Feinster Backpacker-Rap. Fetter Track. Klassiker. Neuauflage. 

Vor allem diesem Teil verdankt der Rap seinen Ruf im Bereich und sogleich ein Ende ohne Hände, denn die müssen nach oben, wie bei einem Banküberfall, denn die Bank ist überall. Der Schupo schrie, aber das ist verboten, doch das ist ein klarer Fall, jemand schlurft durch einen Haufen Laub und wird ausgeraubt, abgezogen, wie, man hat uns nicht erzogen, da klatscht es, und zwar keinen Beifall, nur so ein Einfall,

wie, wir scheinen aggressiv zu sein, der Schein scheint euch in die Fresse rein, du aber weißt, was eingefleischt heißt, denn der Reim ist ein anderes Reimes Feind, das ist halbfett, so wie die Apollo beim Start, der Kaulbarsch saß drinnen und schrie was von Verrat, kein Plan, was er damit meinte, ich sagte, sag an, und er zählte dann von zehn bis eins, in seiner Gummizelle, wird er sie ewiglich lieben, doch die Apollo hatte viele, und sah fünf Sterne, bevor der Zacken in der Krone brach und der Deutsch-Therapeut sagt, tut mir leid, ich kann da nichts erkennen, ganz allgemein wissen wir zu wenig und der Gehalt in weiter Ferne. 

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Felix Herrmann

666, I’m at the gates
9, the gate’s coming down
8, I escape
11, I’ll never be found
7, I die
13, swallow my tail
15, I’m on fire
51, I’m off the scale

Stefan Burnett (@deathgripz)


Pi’erre Bourne vs Eugene Chadbourne Part 7: der ohrenbetäubende Klang des Lebens

»Der Krieg zwischen den beiden Musikern wütet nun schon seit neun Jahren. Himmlische Musik weht in Schwaden über das Niemandsland, reißt alles mit sich, was es zu fassen bekommen wird. Der Schall pulverisiert Städte, während die beiden Hauptverantwortlichen in ihren Bunkern an den Polen der Erde hocken und musizieren. Ich bin natürlich stets unparteiisch in diesem Duell zwischen Gitarrenmusik und extrem heftigen Beats. Ich kann nur sagen, dass ich einen von den beiden gerne irgendwann einmal live erleben möchte.
Und live ist auch unsere mutige Reporterin Charley Quagmire, die soeben mit dem Taxi an der Westfront angekommen ist. Charley, wie sieht’s da drüben aus?«

»Sorry, hier gibt’s eigentlich nichts Neues. Ist halt Musik, ne?«

»Ja, ok. Dann müssen wir wohl einfach mit dem Wetter weitermachen. Also … Wie bitte? Ach so. Ja. Na gut. Liebes Publikum, soeben habe ich erfahren, dass unsere Wetterperson ihren Job aufgegeben hat. Allerdings hinterließ sie im Studio eine Notiz. Da steht Folgendes … Warten Sie, ich muss eben meine Lesebrille rausholen. Also da steht: 
›Wen juckt denn eigentlich das Wetter, Alter? Ich mach die Scheiße jetzt schon seit 25 Jahren und noch nie hab ich den Sinn darin gesehen. Man kann sich ja wohl einfach überraschen lassen. Einfach rausgehen und sehen, was so passiert. Also ernsthaft. Leute, die morgens auf ne Wetterapp gucken, haben nen Schaden. Und wenn man extra den Fernseher anmacht, nur um zu sehen, wie irgendein Typ einem sagt, dass es gleich regnen wird, dann ist man auf nem GANZ anderen Level angekommen. Holt euch doch nen vermaledeiten Frosch. Ich werd mir mit YouTube-Tutorials beibringen, wie man Beats produziert, und dann hört ihr mich bald im Radio.‹
Eine wirklich interessante Nachricht an der Stelle. Ich geh also einfach mal davon aus, dass heute nicht die Sonne scheinen wird. Deshalb weiter im Text zu unserer nächsten Story.
Der CEO der Marke Lätta wurde vor kurzem mit seinem eigenen Handtuch erwürgt, nachdem er einen etwas dummen Tweet veröffentlicht hat. 

›LOL. Wer isst denn ernsthaft noch Butter😂😂😂😂😂😂😂😂😂 CRINGE‹

Nur einer der vielen Gründe, warum ich vor kurzem mein Handy in einen Fluss gebuttert habe. Hehe. ›Butter bei die Fische‹sagt man ja in solchen Situationen. Und wo wir bei Fischen sind, kommen wir doch gleich zum nächsten Thema.
Wer schonmal einen von Pi’erre Bourne produzierten Song von Playboi Carti gehört hat, der weiß bestimmt: Das hört sich groß an.
Was sich auch groß anhört? Der Kaulbarsch. Bislang nahm die Wissenschaft, aufgrund des Namens, den der Fisch trägt, an, dass es sich hierbei um ein wahres Monstrum handelt. Laut neuesten Forschungen ist der Fisch aber eigentlich ziemlich klein und somit auch ungefährlich. Zahlreiche Badeseen, die wegen hoher Kaulbarsch-Population geschlossen wurden, werden also nun wieder eröffnet. Nice.

Auch nice: Gerade höre ich die Schallwellen von ›iloveuihateu‹, der, wie wir alle wissen, von Pi’erre produziert wurde. Die Wände vibrieren. Fenster bersten. Ich werde in wenigen Minuten nicht mehr am Leben sein.
Also sag ich Tschüss für heute und wir starten mit der Werbung. Viel Spaß damit!«

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Fynn Fröhlich

neun schienen entgleisen. neun, neun, acht, vorsicht, oder auch: achtung, man weiß noch nicht, was passiert, 
neun schienen entgleisen auf einem herz, eis, entgleist, im herz aus eis, 
vierzehn, vierzehn zwei, vierzehn fünf, siebzehn acht, 
achtung, 
sieben neun 
herzen entgleisen auf eis, zwickmühle zwei 
siebenfach soll es sein, wie in der bibel, sieben, man fürchtet was passiert, 
acht, man merkt, man weiß noch nicht, was passiert, 
neun, es passiert, neun schienen entgleisen auf eis, 
zehn, wir sehn, schienen entgleisen nicht, 
zug zieht mich zur vierzehn 
vierzehn eins, 
vierzehn zwei, bis zur 
vierzehn fünf, 
neun sieben, 
null zwei, null »zuzweit«, zu weit, 
achtung, 
siebzehn acht, 
zug zieht mich durch die elf, zwölf, dreizehn, 
allein, zu zweit, zu dritt, 
dreizehn neun, 
zu dritt _____ allein, 
dreizehn zehn, 
zu zweit, 
zug zieht mich zur zweiundzwanzig, 
zug zieht mich zur zwei, 
zug zieht mich zur zwei zwei, 
zug zieht mich nach norden, 
zug fährt zur vierzehn 
zwei zweiundzwanzig, 
zug fährt an mir vorbei,
zug entgleist auf herzen, auf herzen aus eis, einöde eins,
neun acht, neun weiter, 
siebzehn acht, 
zug zwanzig, zwei null zwei zwanzig 

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Greta Sofie Müller

schalldichte zelle. richtig gut gemacht. hat uns die lage nahe gebracht. schreie von draußen sind drinnen nicht zu hören und die schreie von drinnen nicht draußen. theoretisch wäre das möglich, aber alles was drinnen passiert, wird gemischt. es gibt eine autorität, die bestimmt, was nach draußen gelangt. nicht alles. alles ausgewählte. 

du darfst überall frei sprechen, aber sie entscheidet, was davon zu hören ist. sie kann, alles was du sagst, drehen und verschieben. vielleicht wirst du dich verlieben. aber solange du nicht mit in der zelle bist, weißt du nicht, was wahr ist. 

kontrolle scheint immer das oberste ziel zu sein. kontrolle von innen nach außen. kontrolle bedeutet aber eigentlich auch nur lügen. am meisten dir selbst gegenüber. aber hey, darum geht es gerade nicht. aber ich kann meine gedanken, gefühle, bla bla bla eben auch nicht kontrollieren. ich will es auch nicht mehr. nur manchmal.

okay, also. schalldichte zelle. richtig gut gemacht. hat uns die lage nahe gebracht, wenn das »polit« ist – gerne! viereinhalb sterne. also schon als gut befunden. aber (definitiv) verbesserungswürdig. 

nur ihr wisst, was ihr hinter der schalldichten tür (kund-)tut. draußen kann man nur vertrauen und das tue ich nicht. also, was tue ich?

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Josefine Sonneson

ein gehirn ist uns gegeben, eins: deutungsmaschine rattert und will einsteigen und durchsteigen, rein ins mahlwerk, ins schubkurbelgetriebe schwurbelgerede rudelgehege – achtung gleiswechsel – betrachten sie die vorbeirauschenden felder beim zweiten blick immer schon mit weniger interesse, dies ist keine idylle. In den windungen auf nervenbahnen blinken alte muster auf und neue, verknüpfen spuren, rasen bis was rausfällt und auffällt – verstehen muss keine, würde aber gerne, zumindest doch festmachen, irgend eine linie hier. sterne sehen beim sich um sich selbst drehen, im kreisverkehr auf geraden bahnen und einkehr suchen oder sehnen, oder schließlich abkehr vom ganzen erlangen und aussteigen oder umsteigen und aufgeben zumindest für diesen moment. 

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Lio Diona

ich blaupausiere dich, zweifelsfrei, im zweifel drei, stau hallt in weiter ferne, sie laden gerade die augen daran, ich habe heute meine hdmi-hose an, die hebungen aligatorisch, vergriffelter glücksgriff, psychodelicious, sieben auf einen streicht die zeit, streich deine darlings, heul leise, hölle sind andere leute, aber heute: ein vogel ertaubt, wir werfen handtücher auf den iceigen flur, die pfostenlinie am horizont, dreiräder im wind, lies rückwärz, ein kind erblickt das licht der welt und sagt: da da istisch, da da ist nichts, ich mit noise-gatekeeper, es rinnt an den rand, ich male tropfbilder an die wand, dunkle buße, zu spät gekommen, ich stand an halt an und stelle, aber waren sie schonmal? drei sterne, der himmel ist trotzdem da, wir legen uns über den beat, das ist minimalistische musik, sei meine apfelmuse, ich appolloiere an dich, ein rendezvousmanöver, schalldichtung, 500 herz, 5 sterne, ich gehe mit meiner laterne, later on we’ll conspire as we dream by the fire, twoface unafraid, the plants that we made, walging the teig, du und dein nudelholz, jeden tag mache ich mir nudeln und sorgen-sticker, es staut vor dem haus, die schauen da beim fenster raus, im licht der ampeln moosgrün, du hast diesen sechs-ampeal, ich peale dich, streiche die zeit wörter halbfett, feiste feste und fette feten, wir sind auf laubhaufen aufgetreten, darin untergetaucht, sind zum suchbild beworden, es wimmelt wild, manchmal denke ich, manchmal laiche ich, setze kröteske kröten in die immer gleichen teiche zum laichen, starre sie an, im sonnenuntergang schreit ein mann, bienen hummeln im manischen gang, der wind heult, ich tröste ihn, rüste auf, rust -egal, du siehst den schimmel nicht, wenn ich ihn weiß übermal, von möhren bin ich weit entfernt, aber stühle liegen mir nah, die liegen auf dem boden, mir auf der zunge, neben oder wegen dir, ich gebe dir unseren schuldigan und führe dich ins tiefe gefäufig läuft nichts, ein achzigstel, ein mindestel sterne, ein lineal, das sie verbindet, selbst wenn wir licht und busse bußen, ist da immer noch ein himmel- oder wimmelbild 

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Lisbeth Leupold
Neun Schienen sind uns gegeben. Neun Schienen, die summen wie Bienen, uns zu erfreuen.

Ich fuhr mit dem Zug zur Arbeit. Jeden Morgen stand ich um dieselbe Zeit auf, immer ein kleines bisschen zu spät, dann frühstückte ich, dann machte ich mich fertig, dann holte ich das Rad und fuhr zum Bahnhof. Da saß ich dann am Gleis auf einer Bank und wartete auf den Zug, er kam jeden Morgen zur selben Zeit, immer ein bisschen zu spät. Die Zeit, in der ich morgens auf der Bank saß und wartete, summierte sich über die Wochen, Monate, Jahre, sie summierte sich zu einer ziemlichen Summe, ich hatte eines Morgens, als ich wirklich schon sehr wach war, ausgerechnet, zu welcher Summe sie sich wohl schon summiert hatte und zu welcher Summe sie sich summiert haben würde, wenn ich den Rest meines Lebens jeden Morgen hier auf der Bank sitzen und auf den Zug warten würde. Es kam eine beeindruckend hohe Zahl dabei heraus.

Die gesamte Zeit, die ich dort morgens am Bahnhof auf der Bank saß und wartete, schaute ich auf den Schriftzug, der über der Bahnhofshalleneingangstür graviert war. 

Neun Schienen sind uns gegeben. Neun Schienen, die summen wie Bienen, uns zu erfreuen.

Der Bahnhof war schon alt, die Eingangshalle war schon alt, die Tür war auch schon alt und von den meisten der eingravierten Buchstaben blätterte die goldene Farbe ab, sodass man von der Bank aufstehen musste, um sie alle in ihrer Deutlichkeit zu lesen, was ich nicht tat, ich blieb selbstverständlich sitzen und las, was von ihnen übrig geblieben war.

N un Sc ienen s nd un  ge eben   Neu  S hienen, d e sum en wie Bien n, uns  u er reu n.

Ich blieb immer wieder an den Buchstaben hängen, ergänzte die fehlenden und drehte sie in meinen Gedanken hin und her. Später, wenn dann der Zug kam und ich einstieg, setzte ich mich an einen freien Fensterplatz, was nicht schwer war, denn alle Fensterplätze waren frei, sowieso alle Plätze waren frei, und die Sätze ratterten durch meinen Kopf wie der Zug durch die Landschaft.

Neun Schienen sind uns gegeben, neun Schienen, neun.

Neun Schienen, die summen wie Bienen, neun Schienen, neun.

Neun Schienen, die sind uns gegeben, neun Schienen, neun.

Neun Schienen, die summen wie Bienen, die soll’n uns erfreun.

Später, wenn die Landschaft städtischer wurde, stiegen neue Leute in den Zug ein und besetzten die Fensterplätze. Sie klappten ihre Laptops auf oder sahen auf ihre Handys oder schliefen nochmal ein bis zur nächsten Station. 

Neun Schienen sind uns gegeben, neun Schienen, neun, die –

»Ist da noch frei?«, fragte mich dann jemand und setzte sich auf den Platz neben mir, wenn ich nickte.

Neun Schienen, die summen wie Bienen, uns zu erfreun.

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Meret Stühmer
Auf dem Weg

Zugfahrt über Brücke 1, Laterne 33 bis 98 in den rasenden Unterführungen entdeckt, Baustelle am Hauptbahnhof, Umleitung

10 von 10 Sternen für den Kaffee im selten geöffneten Café am Löhner Hauptbahnhof. 

Notizbuch, gezückte Leere über x-Mal gehörter Playlist, fürs Feeling.

Mitschreiben des Songtextes, mitschreiben der Gespräche rings herum »Ich mach das ja nicht fürs Geld« 

Fürs Feeling

Bahntoiletten mit schwankenden Türen, gehn bei jeder Bremsung auf und zu.

Noise Cancelling 

Immer weiter gecancelte

Stille

getupfte Kontaktaufnahme, lächelnd 

lesen aus Gesichtern wie aus Bauklötzchentürmen

noise klick, angenommen

Nicken

Druck am linken Knie, ein Koffer schubst in Richtung Fenster

Der angewärmte Rucksack entlässt das Bein Richtung Kälte und nutzt den Harken an der Wand für einen besseren Ausblick

Dumpfer Kopf, dunkelndes Augenverschließen

Unkenntlicher Schlaf

Piepen

»Dann klick, Stille bei klingelnden Ohren, so bin ich erfroren, im inneren Norden« (Prinz Pi)

Schritt

Zurück 

Schließen der Tore 

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Peter Felix Müllejans

Eins; ich bin irgendwo. Wo? Halt irgendwo. Halt? Zentrum. Zwei; ich bin halt leise, Halt? Hauptbahnhof. Bahnhof? Der Bus ist laut weg. Drei; ich bin auf dem Weg. Weg? Nein, auf dem Weg, beziehungsweise schon weg, nur halt ohne Ziel. Gerade? Hamm (West), da stehe ich immer, wenn Züge sich entkoppeln, hat die Zeit schon gewonnen oder verloren oder es ist ihr egal, weil Frösche laut quaken, auch wenn man am anderen Ende der Stadt wohnt. Vier; da wohne ich nie. Wo? Bei den Fröschen. Fünf; ich war da mal. Wo? Da halt. Welcher Halt? Vielleicht ist mein Weg auch eher ein Kreis. 

Sechs; zählen kann ich. Was? Alles, also bis auf Sand und so. Warum? Geht halt nicht. Halt? Ja man, irgendwo zwischen Düsseldorf und Dortmund. Mühlheim? Eher Mettmann. Sieben; ich fahre und nenne es Weggehen. Warum? Kein Wohin? Keine Antwort? Kein Halt? Nie. Acht; Achterbahnen enden immer, wo sie beginnen. Den konntest du dir nicht verkneifen? Nö. Schämst du dich? Immer. Neun; ich bin mal angekommen. Wirklich? Ne, aber es klingt halt schön. Wirklich? Finde ich schon. Wo? In einem Teich, da saß ein Frosch beim Kämmen. Nur einer? Der Andere erwürgte Enten. Zehn; ich habe mich schon überrundet. Geht das? Nope. Lügst du etwa? Immer, aber Düren ist halt auch nur so statisch wie ich. Elf; ich habe keinen Weg mehr. Aber weiter gehts? Schon seit Eins eigentlich nicht. Warum? Immer. Halt? Bus. Die U-4 ist eine Lüge? Erst seit Frühling oder bis Frühling, aber beides, aber lass mich …

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Pauline Neumann

Schemata schatten sich über meine Kopfklappen 

Zu gekappt ab ge schnappt kabeln 

Scharbe ich meine Zungenoberfläche zu

Spiralisierte Sprache macht sich in mir selbstständig 

Im Magen wirbeln sich Worte dem Zeiger zu gegen 

Ohne dass die Uhr tickt patschen neun Zeigefinger auf die Zähne

Die schon gelb gefärbter Zukunft stehen 

Stehend in Gegenden umrissen 
 

Silouettal gegenüber vom blauen Lichtpunkt der in Pausen schwingt

Zeitlich in der Losgelassenheit rasternd ohne Zahnräder ratternd 

Lautloses Quietschen in den Ohren ganz dumpfer Schreie ungehört 

Wahrgenommen ohne Sinne

Manischer Manier

Sinne sündigen dir meiner 

 Sin ist gleich Sinn ohe n 

Sinn ohne un ist sinnloser Leichtsinn im Un

Auf weißem Papier weiß geschrieben auf Seite sieben 

Hoch geatmet in Hochachtung vor dir 

Lache ich 

Zu mir in Gegen den von dir

Oder für dich ohne mich 

Das Ohne geht nicht ohne mich 

Mit mir ist immer ohne

Begreife ich schnäuzend ohne Schnauzbart auf der Oberlippe unter dir

Sinn im Un gefunden

Ufernd im Selbst ohne Los gezogen ungleich unmir bleibt 

Wie dass Sinn ohne n geschrieben trotzdem gesprochen wird

Und der Klappenkopf über mir lichtet Chaos 

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Veronika Hauger

alleine bin ich eingestiegen 
03.34 uhr in der nacht
in hamburg los 
abends schon in neapel
dass es an einem tag geht 
das gefühl hat mich so glücklich gemacht
so unfassbar zufrieden 
ich bin alleine im wagon um diese uhrzeit
als die person kommt und sie sieht mein ziel
auch sie freut sich 
und ich würde gerne weiterfahren mit ihr 
aber sie arbeitet
während ich rumliege 
und spätestens ab 11 uhr 
sind die wägen voll und ich werde keine verspätung haben
und ich möchte nicht reden
ich möchte nur rumliegen und warten und warten und warten und warten bis der zug einfährt und ich verwirrt sein werde
dass es möglich ist an einem tag
und als ich ankomme
da bin ich nicht mehr müde und auch das freut mich 
viel geschlafen und jetzt die nacht vor mir und ich bringe die sachen weg
und dann ist es viel zu heiß
obwohl 23 uhr abends 
und es ist auch zu laut
sagen andere 
aber für mich ist es genau richtig
endlich kann ich mich entspannen
es war zu leise
an dem ort an dem ich gestartet bin

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Yasmin Sibai
so gemeinsamkeiten

eins: skeleton crew. die kleinstmögliche einheit. learn to talk. die platte gehört in einer eiskalten dachgeschosswohnung mit kohleofen der nicht funktionierte. der ambitionierte kerl der sie mir vorspielte und seine liebenswürdigkeit. hatte mir musikalisch die ohren geöffnet bevor er mir blaue augen schlug. aber nur eins denn auch mit geschwollenen lidern lassen sich sachen erkennen. beim solokonzert schon getrennt, ich sog die melodien auf, die wie wasserfäden aus tom coras cello flossen die augen geschlossen hatte er und wie freundlich er

war später an der bar vom glockseecafe. tom cora. nur ein jahr später war er tot und ich hörte (fassungslos) die platten bis die rillen ausgeleiert waren. er war noch so jung. zwei: fred frith, der alle geräusche aufnahm, auch die banalsten. kompositionen aus zischendem fett undsoweiter. das glitt nicht ins ohr das stellte sich quer. eine strategie die wir selbst auch versuchten, das überfrachten von strukturen mit zu vielen ideen und breaks da wo niemand der gern radio hörte sie haben wollte aber fürs radio war das ganze ja gar nicht gedacht das

war gemacht für die kellerräume in denen unsere träume zwischen bierflaschen (leer) und aschenbechern (voll) die schallisolierten wände hoch krochen und natürlich drei: punkte werden hier nicht vergeben, aber die spex stand auf nummer eins. hatte unser loch hardcorehausen genannt. der ritterschlag und mit einem schlag die clubs voller leute deren gehörgänge das wollten was da aus unseren kellern schallte. reichte vielleicht für ein ticket über den teich das größte glück und dann waren da ja noch vier: die zäune der musikalischen

schrebergärten über die man zu klettern hatte wenn man weiter sehen wollte als bis zu den eigenen stumpfsinnigen tomaten oder denen in nazinachbars garten am besten einreissen no pasaran! das galt nicht für uns nur für kleingartenkolonialisten und andre faschisten. keine sterne werden hier vergeben daran glaubten wir nicht auch nicht an syntaxgesetze und rechtschreibung war eh reaktionär, das haben wir ordentlich durchgeschüttelt gezapped und getrusted und hackfleischgeröstet aber tom cora ist tot und die spex eh aber hey ho, let’s go …

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Bild mit freundlicher Genehmigung von Kai Simanski | Pfeil und Bogen