William H. Gass:
The Tunnel
Das Werk The Tunnel, an dem William H. Gass 26 Jahre geschrieben hat, stellt uns vor viele Herausforderungen: Es ist faschistisch, rassistisch, misogyn und damit gleich auf mehreren Ebenen unzugänglich. Wie stellt man sich einem Werk, von dem der Autor sagt, dass er dessen Hauptfigur selbst nicht gemocht habe und das dazu noch über 1000 Seiten lang ist?
»Es ist wie ein Gefängnis aus Sätzen!«
Annette Pehnt
Es scheint kein Entrinnen zu geben. Ständig wiederholen sich scheinbar gleiche Elemente. Die Sätze werden aus schon bekannten Worten immer wieder neu zusammengesetzt und wenn ein noch so kleines Element neu in den Satz hinzukommt, so sticht es unmittelbar hervor. William H. Gass, der 1996 den American Book Award für The Tunnel erhielt, verteidigt seine Schreibweise und Themenwahl mit einem Gedankenexperiment:
»Für sich bedeuten die Wörter nichts, immer stehen sie in Beziehung zu irgendetwas anderem. Es gibt keine Tabus, nur schlechten Stil. Man muß Zusammenhänge finden, in denen alles so integriert und miteinander verknüpft ist, daß es auch Mathematiker schön finden. Alles dann paßt und funktioniert. Vielleicht gerade, weil vieles darin so abstoßend ist. Es sind nur Vehikel. Schuld findet sich anderswo.«
William H. Gass
Was uns daran immer wieder beschäftigt ist das Wozu? Die Hauptfigur gräbt einen Tunnel, ein Loch im Keller des Hauses. Aber in dieses kommt nur Müll. Auch wir lesen in dem kurzen Ausschnitt, dass ästhetisch ein hoher Aufwand betrieben wird. Dass Vokalfarben in den Wiederholungsstrukturen korrespondieren, sich ein Gefühl von Lautmalerei, Wohlklang bei uns einstellt. Doch die Frage bleibt: Warum wird für so einen Inhalt, ein so enormer sprachlicher Aufwand betrieben? Wir schreiben …
Charlotte Palatzky
»If a [hu]man cannot choose, he ceases to be [hu]man.« – Anthony Burgess, A Clockwork Orange
Weiser Faden
Streit? Hier gibt es keinen Streit, sagte Priest Morgan als meine Rasselbande einmal vor ihr stand. Keinen Streit? Wir werden keinen Streit haben. Ernestine Fuller fing ständig mit ihr Streit an, wenn sie sonntags ihre Zwischenrufe in der Predigt ablud. Hier ist nicht der richtige Ort für sowas, unterbrach sie die Priest. Es gibt keinen Grund für Streit. Fuller – dieses fanatische Höschen – legte sich mit jeder an. Keine diskutierte mit ihr. Uns schalt man auch nicht. Wir stritten ständig. Irenes linkes Augenlid hing, seit sie vor ein paar Monaten der Blecheimer erwischt hatte und Bibs Arme zitterten ständig, obwohl sie mutig tat. Bei uns hier gibt es keinen Streit, sprach Priest Morgan sonntags in der Predigt, oder wenn sie uns sonst wo begegnete. Fuller ging dann wüstend aus dem Saal, wenn sie nicht mehr streiten durfte, schlug gegen Dinge. Ein Ding gehörte Ma und sie wurde rasend und ging zu Morgan und schrie darüber, dass das Ding gut war. Mit Streit kommt man nicht weiter, antwortete die Priest und Ma aß ihre Gefühle aber nur ein wenig und machte dann ein Ding von Fuller kaputt. Fuller bekam von Ma nichts mehr, keinen Blick. Zwischen Fuller und Ma gab es keinen Streit. Zwischen Ma und Priest Morgan gab es keinen Streit. Ma hörte nicht mehr hin in der Kirche, was Morgan sprach, und Morgan hatte Ma nicht gehört. Ma hörte nicht hin, als ich ihr Bibs Kette zeigte und als ich ihr ein paar Wochen später Bibs gespießten Kopf am Gartenzaun zeigte, stritt sie nicht mit mir und ich lächelte und wir umarmten uns. Bei uns gab es keinen Streit.
Im Dorf gab es Streit und eine Rasselbande und Priest Morgan, Fuller und Ma. Für Morgan gab es keinen Streit, obwohl es Streit gab. Die Rasselbande hatte Streit und Fuller und Ma. Ma verlies die Kirche und ich das Dorf, bevor meine Rasselbande Bib umbrachte und Ma nicht wissen würde, was Streit ist.
Show more +Dennis Brock
Mein Dad erlaubte mir keinen Weltuntergang. Einen Weltuntergang? Einen Weltuntergang brauchen wir nicht. Meine Mutter machte sich den Weltuntergang des Nachbarn zum Kumpel, indem sie ihn mit Gin vergiftete, den sie auf die Essensreste träufelte. Füttere ihn woanders, sagte mein Dad. Einen Weltuntergang brauchen wir nicht. Mein Dad erlaubte mir keinen Weltuntergang. Wir brauchen keinen Weltuntergang, der scheißt dir nur alles voll und den Geruch kriegst du niemals wieder aus den Kleidern deiner Mom, nicht mal mit Gin kriegst du den Geruch da raus, und während er das sagte, kippte sich meine Mom einen Gin hinter die Binde, dort wo das rechte Auge fehlte, auf dem rechten Auge war sie blind, deshalb kippte sie sich eben Gin da rein, das machte jetzt auch keinen Unterschied mehr und deshalb taufte sie den Weltuntergang im Namen des Herrn und des Heiligen Geistes, der der Gin war, und da der Gin schon aus der Flasche war, konnte man sich auch gleich drei Wünsche wünschen und weil mir als drittes nichts mehr eingefallen war, hatte ich mir den Weltuntergang gewünscht, aber mein Dad meinte, den brauchen wir nicht. Du vergiftest die Welt, sagte mein Dad, aber egal, wir brauchen diese Welt nicht. Die Welt macht nur die Hosenbeine ihrer Gäste dreckig und das regt alle auf, wenn sie durch schlammigen Schneematsch laufen müssen und den Scheiß nicht mehr aus ihren Kleidern kriegen, nein, die Welt braucht keine Sau. Also hatten wir doch einen Weltuntergang in unserem Haus, wenn auch nur auf Besuch, und er legte seinen weißen Kopf in den Schoß meiner Mutter und winselte, denn er wollte gekrault werden, und dann warf mein Vater die Zeitung hin, in der nichts Neues gestanden hatte, nur das übliche Pensum, sagte, Scheiße!, und ging aus dem Haus und um die Ecke, dort vorne an dem unbebauten Grundstück, dort wo der scheiß kalte Wind so penetrant durch pfeift, und wartete darauf, dass der verdammte Weltuntergang sein Geschäft machte, während der Kumpel unseres Nachbarn den Müll raus brachte und die Blumenbeete schnippschnappte, genau in diesem Moment und völlig unerwartet, wo er schon mit dem Gedanken spielte, wieder zurückzugehen, weil da ja doch nichts geschah, weil es ja sinnlos war, wie so ein Idiot an der Ecke zu stehen und zu warten, da schnippschnappte die Welt zu wie so ’ne dumme Lichtschnur.
Show more +Felix Herrmann
Fire trash meltdown, I’m not here
I’m world of dogs, infrared
Tear me apart, left for dead
But I’m not dead yet
Sick ‚em, sick ‚em, yes
- Stefan Burnett (World of Dogs)
Instagram for Reel fr (eine sehr kritische Ausgabe [alle Anmerkungen sind am Textende zu finden])
Seit fünf Stunden hatte ich still in der Küche gesessen und die blanke Wand angestarrt, als mein Hund von seinem Einkauf zurückkam. Er legte seinen Rucksack ab und zog sich die Schuhe aus, dann setzte er sich zu mir an den Tisch, holte sein Handy heraus und zeigte mir ein Meme* auf Instagram.

»Ziemlich lustig, oder?«, fragte der Köter.
»Na ja, also …«
»Also was?«
»Also Kunst ist Kunst, aber Kunst kann halt auch einfach komplett nervig sein, manchmal.«
»Also findest du’s nicht lustig.«
»Beim ersten Mal war’s vielleicht ganz witzig, aber ich hasse es einfach, dass Memes so unkreativ sind. Da sieht man dann den gleichen Witz 70.000 Mal, aber halt immer ganz leicht abgeändert. Das kann ab und zu unterhaltsam sein, aber es geht nie weit genug. Memes erfüllen meine Seele** nicht mehr. Das ist halt wie … wie das McDonald’s der Kunstwelt.«
»McDonald’s ist doch nice, oder nicht?«
»Hä, nein. Bist du-«
»Big Tasty Bacon-Sauce ist einfach zu lecker, Mann. Die Pommes sind immer fresh***, die Cola … ja, also die haben halt auch Cola.«
»Cola? Digga, ich hasse Cola. Für mich ist Cola das Allerletzte wie William Frederick.«
»Wow. Du-«
»Wenn’s um Cola geht, kannst du mich North Dakota nennen, weil ich da FAR von weg GO.«
»Du bist halt auch dumm!«, sagte der Hund****.
*
Ein Meme? EIN Meme? Der Autor denkt also, es heißt DAS Meme? Wie bescheuert kann man denn bitte sein? Es ist DER Meme. Man, solche Sachen triggern mich wirklich endlos weg. Was soll der Scheiß? Der Typ sagt wahrscheinlich auch DAS Nutella. Und DER Ketchup. Der Ketchup!!! WTF. Da hört bei mir der Spaß wirklich auf. Ich hasse es. Und dann diskutiert man 20 Minuten lang mit so einer geistig benebelten Person und dann googelt man den Scheiß und sieht dann, dass man fucking OFFIZIELL einfach beides sagen kann. NICHTS ist frustrierender als das. Nichts! Ich kann nicht mehr, Alter.
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Dummes Konzept. Seelen gibt es nicht und Menschen, die nicht religiös sind, sollten aufhören, davon zu reden. Sag doch einfach Menschenheitslebensessenz oder so.
***
Dieser Text scheint in einer Parallelwelt stattzufinden. Das macht der Text vorher nicht deutlich genug.
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Warte mal kurz! Sorry, dass mir das erst jetzt auffällt, ich leide gerade an intensivem Schlafmangel, aber spricht dieser Hund etwa? Das geht doch überhaupt nicht!!! Diese Schreibenden belügen uns einfach konstant. Sie können schon gar nicht mehr damit aufhören. Die Realität wird uns doch so ganz fremd.
Ich wollte als Kind nicht cool sein.
Ich bin nicht auf der Suche nach mir selbst.
Mein Herz ist ein Muskel. Es kann nicht brechen.
Wir alle leben in einer Welt, die wir uns schon ausgedacht haben, bevor wir geboren wurden. Nur über sie können wir jetzt noch schreiben. Die Unterhaltung fällt leichter als das Gespräch, daher sollte man sich beidem entziehen und lieber mit bloßen Händen essen, als das Menschsein zu verlieren.
Ich schlafe nackt auf leeren Feldern. Auch wenn deine Verlobte den Jagdschein macht und mich schießen möchte: Lieber jage ich einen McDonald’s in die Luft als dort zu essen.
Lisbeth Leupold
Nie erlaubte unser Vater uns einen Hund. Wir hatten ihn gebeten, wir hatten schließlich gebettelt, wir hätten so gern einen Hund gehabt, nur einen ganz kleinen, einen sehr leisen, der nicht haart und nicht beißt, einen zahnlosen Hund eigentlich, der schon sehr alt ist, der also eh nicht mehr lange bei uns sein wird, nur ein paar Jahre, einen, der an niemandem hochspringt und niemanden stört, versprochen.
Wir wollten ihn Karuso nennen, wir hatten uns abgestimmt und waren uns einig, die Entscheidung war gefallen, vor Jahren. Meine große Schwester war mit meinem kleinen Bruder ins Tierheim gegangen und hatte nach nicht-haarenden Kleinhunden ohne Zähne Ausschau gehalten, es gab immer mal wieder welche, wir hätten sie alle genommen, sie hätten alle Karuso geheißen, aber nie erlaubte unser Vater uns einen Hund.
Meine kleine Schwester hatte mit meinem großen Bruder angefangen, eine Hundehütte zu bauen, mittlerweile war sie fertig entworfen, gezimmert, gestrichen und dekoriert, schon seit Jahren. Es lag eine Hundedecke darin, die Fenster hatten Läden und im Winter gab es Decken, die man davor ziehen konnte, auch vor die Tür, damit es nicht zog, es wäre schließlich ein alter Hund, ein sehr ruhiger, er würde die meiste Zeit in seiner Hütte verbringen, so lahm wie er war, und er sollte es schließlich schön haben bei uns, nur für den Fall, dass unser Vater ihn uns doch erlaubte.
Also malte ich die Innenwände der Hütte aus, jeweils passend zur Jahreszeit, ich hatte schon verschiedene Motive ausprobiert und zur Perfektion gebracht, das Dach hatte ich gestrichen und die Tür. Mittlerweile war es die schönste Hütte von allen, die schönste Hütte der ganzen Stadt, schon seit Jahren, die Nachbarshunde schnüffelten neidisch an ihr vorbei und wir gingen abwechselnd ins Tierheim zum jeweiligen Karuso und erzählten ihm davon.
Nie erlaubte unser Vater uns einen Hund, aber ein Geschwisterkind erlaubte er uns schon. Es kam an einem Nachmittag im Herbst, es war ganz haarlos und hatte auch keine Zähne, es sprang nicht an uns hoch, wir hielten es abwechselnd im Arm und schauten es an. Ihr werdet darauf aufpassen müssen, meinte unser Vater und wir nickten, wir gaben uns Mühe, wir wickelten es in Decken und legten es in unsere Hütte, die Nachbarshunde schnüffelten neidisch an ihm vorbei. Eigentlich hieß es anders, aber wir haben es Karuso genannt.
Show more +Maite Herborn
Ich schloss meine Augen und schrie zu Gott. Ich hatte seit letztem Weihnachten nicht mehr gebetet, sah den Sinn darin nicht. Aber meine Stimmbänder waren am Ende angelangt und offenbar lautlos geblieben, denn niemand war gekommen, um mich zu retten. Voller Panik drehte ich mich um und blickte dem monströsen Tier direkt in die Augen. Es fletschte die Zähne und sabberte ein wenig und ich war mich sicher, in der Sabber noch Trockenfutterreste zu erkennen. Der Hund verlangsamte sein Tempo und beschränkte sich darauf, mich bedrohlich knurrend nach hinten zu treiben. An meiner Wange rollte eine dicke Träne nach unten, aber ich traute mich nicht, sie wegzuwischen. Er war so riesig. Ich verstand nicht, wie ein funktionierendes menschliches Gehirn auf die Idee kommen konnte, sich ein solches Ungeheuer als Haustier anzuschaffen. Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, versuchte ich, meine Umgebung nach irgendeinem Ausweg abzusuchen, aber ich fand keinen. Das Einzige, was mir noch übrig blieb, war, mich blitzschnell umzudrehen, den Überraschungsmoment für einen Vorsprung zu nutzen und irgendwie die Haustür aufzuschließen, die sich hinter mir befinden musste, rechtzeitig hineinzuschlüpfen, und sie hinter mir zuzuwerfen, ehe er mich erreicht hatte. Bevor ich analysieren konnte, dass meine Erfolgschancen stark in Richtung Null tendierten, holte ich tief Luft und wappnete mich innerlich für mein bevorstehendes Unterfangen. Ich bewegte meine Augen fast unmerklich in Richtung der Straße, um ihn zusätzlich abzulenken, drehte mich im Bruchteil einer Sekunde um und setzte zum Sprint meines Lebens an.
Dann kam der Aufprall. Ich erschrak über das Geräusch und den jaulenden Hund, der einen Satz nach hinten machte und schnell hinter dem Haus verschwand. Ich erschrak, weil ich an mir herabblickte und alles rot war. Ich schloss meine Augen und schrie zu Gott. In einem Biologiebuch in der Schulbibliothek hatte ich einmal gelesen, dass der menschliche Körper Schmerzempfindungen in Notfällen so manipuliert, dass wir gar nicht richtig merken, dass wir verletzt sind. Ich spürte meinen Körper nicht, war mir nicht sicher, ob er noch da war. Es summte und vibrierte in meinen Gedanken und ich schrie zu Gott, dass die Blutflecken wieder aus der Kleidung hinausgehen würden. Diesmal schrie ich echt. So reime ich es mir im Nachhinein zusammen, denn Herr Jahntke aus dem ersten Stock kam die Treppe hinuntergestolpert, sah mich vor der Tür liegen und brachte mich ins Haus. Ich war mir unendlich sicher, dass das mein Ende war, dass ich mich nur in einer Übergangsphase zwischen Leben und Tod befand, und hoffte heimlich, dass der Übergang zu Ende ginge, bevor Mutter die Blutflecken sah.
Ich hatte Glück. Frau Jahntkes Betrieb hatte wegen Läusebefalls für eine Woche schließen müssen und so war sie zuhause an ihrem Schreibtisch, als ihr Mann mich in ihre Wohnung brachte. Sie erschrak, als sie das Blut sah, und ich verfluchte mich, dass ich nicht aufgehört hatte zu bluten, bevor wir durch die Tür gekommen waren. Auf dem Boden sah ich die dicken roten Tropfen, die immer größer und dunkler wurden und alles in sich verschluckten. Als ich etwas später wieder zu mir kam, hatte Frau Jahntke mir den Kopf verbunden und mich abgewaschen. Sie erklärte, dass ich mir die Stirn aufgeschlagen und sie die Wunde genäht habe. Ich solle in ein paar Tagen damit zum Doktor gehen und die Fäden herausziehen lassen. Und dass mein Kopf brumme, sei normal, ich muss wohl ganz schön doll gegen die Tür gerannt sein und eine Gehirnerschütterung sei da sehr wahrscheinlich. Ich hörte sie nur halb, weil immer noch alles vibrierte, aber das Wichtigste verstand ich. Also habe ich aufgehört zu bluten? Ja. Und das kommt nicht wieder? Ich denke nicht, nein. Ich wollte nach oben in unsere Wohnung gehen und meine Aufgaben machen, damit ich sie noch schaffen würde, bevor der Übergang kam, aber sie hielt mich zurück und verpackte mich wieder auf dem Sofa. Die Mutti kommt gleich, ich habe schon angerufen. Stumm schrie ich zu Gott.
Show more +Meret Stühmer
Schön, kann ich dich schön finden?
Schön, obwohl du bitter bist,
ein taubes, knirschendes Gefühl auf der Zunge hinterlässt
und es brennt sich hinein in den Korpus,
schmiegt sich schmeichelnd an knöcherne Gitter,
diese Stimme – hinein – die nicht meine ist,
die nicht deine ist, doch noch immer genug dein, um schön zu sein,
ich will sie aus mir heraus schreiben, sie wieder zu Papier bringen, wo ich sie her genommen hab,
ich will sie dort lassen, eingesperrt hinter Tinte und Fasern,
sperr’ ich dich dort mit ihr ein, bist du eins mit ihr geworden?
So weit, dass ich es schön finde, Schönes finde, dahinter finde,
schön, darf ich dich schön finden?
Schön, obwohl du bitter bist,
ich will mich nicht wiederfinden, einfinden, einnisten, es sich einnisten lassen,
ließ es heraus aus mir,
nimm es wieder fort,
ich sorge mich, dass es Wurzeln schlägt,
ich sorge mich, dass ich Wurzeln schlage
in dieser fremden Welt, die nicht meine ist und doch immer näher in mein Sichtfeld rückt.
Das System rebelliert.
Schön, will dich nicht schön finden
Show more +Tanja Finke
DU! Das fällt mir dazu ein. Ganz einfach DU! Du, der lange nicht wusste, wie groß er ist. Und als er es dann wusste, sich über alles hinwegsetzte. Komm doch, komm doch, locktest Du, Komm doch, spring! Ah, höher kannst du nicht? Schade! Du, der ganz über den Dingen stand.
DU! Was fällt dir eigentlich ein? DU! Der immer noch einfach so tut, als wüsste er nicht, wie groß er ist. Alles um sich herum zum Einsturz bringt. Was steht das auch da? Was liegt das auch da! Du, der ganz viel Raum braucht, der seine Hände überall hat, überall heranreicht, alles greift, alles, alles.
DU! Ich fehle mir. So einfach ist das. Ich fehle mir schon lange Zeit. Weil ich gleich wusste, wie groß du bist. Und wie hoch du reichst, und wie du noch wachsen kannst, wenn du es erst einmal weißt. Wenn das Spiel Komm doch!-Komm doch! böse wird.
DU. Du fehlst hier. Leerer Raum, großer, leerer Raum. Nichts muss aufgefangen, nichts repariert werden. Kein Ärger. Keine Größe. Kein Wachsen. Kein DU.
Show more +Yasmin Sibai
Ich will kein Hund sein.
Unter gar keinen Umständen will ich ein Hund sein.
Das Hundsein macht gewisse Aspekte erforderlich,
die mit meinem Dasein unvereinbar sind.
Deshalb will ich kein Hund sein.
Manchmal wünscht sich mein Vater, dass ich ein Hund sei.
Denn Hunde apportieren und gehorchen und wedeln mit Schwänzen.
Manchmal wünscht sich mein Vater, dass ich all die Aspekte des Hundseins
erfüllen würde, dass ich apportieren, gehorchen und mit Schwänzen wedeln, also ganz und gar Hundsein würde.
Ich glaube, mein Vater mag Hunde.
Ich glaube, mein Vater liebt die Aspekte meines Hundseins als eine Steigerung seines eigenen Daseins.
An Tagen, an denen sich mein Vater wünscht, dass ich ein Hund sei, der apportiert und gehorcht und mit Schwänzen wedelt, an solchen Tagen mache ich mich ganz klein, damit ich ihm nicht auffalle, meistens verstecke ich mich hinterm Schuppen oder in einer Zimmerecke, denn ich bin davon überzeugt, dass mein Dasein mit dem Hundsein absolut unvereinbar ist,
absolut unvereinbar mit dem Hundsein,
nicht im Mindesten vereinbar mit jeglichem Aspekt des Hundseins,
auch, wenn mein Vater glaubt, dass mein Dasein, wäre es dem Hundsein ähnlich,
ja vielleicht sogar deckungsgleich mit dem Hundsein, seinem eigenen Dasein gewisse Vorzüge böte,
auch wenn mein Vater also gern hätte, dass ich ein Hund sei,
so will ich doch unter gar keinen Umständen
ein Hund sein.
Kein Hund sein.
Und auf gar keinen Fall
ein Hund sein.