Ilse Aichinger:
Queens
(Schlechte Wörter)
Wir lesen Ilse Aichinger und ihre Tendenz zur Verknappung – Sätze, die sich über viele Zeilen ziehen, in denen sich Worte aneinanderreihen, die kaum zusammenhängen, die uns desorientieren und herausfordern. Überall ist ihr Misstrauen zu spüren, ihre Erschütterung gegen die Sprache selbst.
»Schnee ist ein Wort und Heu ist auch eins. Schnee ist ein Wort. Es gibt nicht viele Wörter. Es gibt nicht viele, die nicht bezeichnen, womit sie eins sind, weil sie es nicht bezeichnen. Die nicht eins sind mit dem, was sie nicht bezeichnen, weil sie damit eins sind.«
Ilse Aichinger
Wir spüren, dass wir unterscheiden müssen zwischen Wort und Bedeutung, dass wir sie in Aichingers Texten nicht zwangsläufig zusammenbringen können, oder dürfen. Dadurch wird das Verstehen erschwert.
»Warum soll ich mich mit lauter Sachen beschäftigen, die ich sofort verstehe? Das wäre für mich auch irgendwann langweilig.«
Guido Graf
Ist es also so, dass Worte, wenn wir ihnen nicht die ›Macht‹ geben, eine Bedeutung zu haben, gar keine haben? Wir erkunden diese Frage schreibend:
Charlotte Palatzky
»Es gibt nicht viele, die nicht bezeichnen, womit sie eins sind, weil sie es nicht bezeichnen [wenn man etwas im Argen lässt, kann man sich damit identifizieren, wenn man beginnt, es zu übersetzen, verliert es seine Bindbarkeit]. Die nicht eins sind mit dem, was sie nicht bezeichnen, weil sie damit eins sind [weil man weiß, dass es im Argen bleiben muss, damit man sich damit identifizieren kann, ist man demnach nie mit etwas ganz gebunden].« – Aichinger, Schnee
Blauer Bund
Neugeboren, rausgesprungen, an der Nabelschnur Hamelns Töchter, losgesandt. Welches Fieber schließt uns? Blaue Fäden, lassen sich nicht schneiden. Durch Ohren werden Bündnisse genäht, selbst durch Hornhaare, Kasparinnen. Bindfaden, schmale Fasern, das Schmale im Garn entspringt dem Faden, spinnt weiter in Brüchiges.
Reißende Wölfin im Fiebertraum. Welches Fieber schließt uns? An den Kindern wird gerissen, die Hasen sind selbst noch Kinder, sie können sich nicht kümmern, sie zerschneiden anarzisstisch, Leben mit Zähnen.
Wölfe reisen, wenn es Lämmer gibt. Reisen uns zusammen, eine Gemeinschaft, Isebellen tragen Spinnen in Hütten, Fügung, die Hütte, Bauten, die reißen. Graues Garn trägt, macht, durch Wälder hindurch, Ohren in Hütten, welches Fieber schließt uns? In die Hütte, in das Dorf, Macht aus Orten, Orte aus.
Flucht stolpernd, aufgerissene Knie, der Heimat größer nahe, blauer Atem von Anarchinnen. Drei Stücke Darm, stock, aus dem Hüftknochen, wird zurückgebunden, natalitär. Verliert sich das Organ aus dem Organ versorgbar, Ablassfrei, Tat, kein Bock, kein Sarg, Wölfin mit dem zarten Blick, wirklich krasse Zartheit durch feine Härchen ganz nah, um ein Auge,das blickt, Gluckenrudel, hudern
*
Kasparinnen im Lesezirkel bei Yasmin aufgetaucht, hat in dem Text eine Wahrheit gefunden und wollte da hin
Daniela Waßmer
Ihre Worte
ein Nähfaden für die Unsterblichen,
für ihre gebrechlichen Finger,
die dürren Zeilen,
gekraust,
die Nelken warten,
fall nicht,
in das durchtränkte Buch,
auf das wir schwören
Dennis Brock
Vielleichtverwandt, ich und Orpheus, der Typ, der sich nicht umdrehen durfte, beim Aufstieg aus der Unterwelt, weil seine Frau ansonsten zurückbleiben musste, irgendwo in Virginia und mein Gott, das muss wirklich die Hölle sein, da zu leben, in Virginia abgewrackt zu werden, da hat man es wirklich nicht weit gebracht als Sänger, und mein Gott, hab ich den Faden verloren, und hatte mir Ariadne nicht noch eingebläut, ihn nicht zu verlieren, denn ohne ihn findet man nicht heraus aus den labyrinthischen Gedankengängen, ich cuttete mich in little pieces, aber wenn man eines verlor, fand man sich nicht mehr wieder, selbst wenn alle anderen in der Ablage PP unter dem Schneidertisch lagen, und mein wife sewte viel, sie war ein sewing machine, sie cuttete mich zu einem T-Shirt, und der Rest reichte gerade so für einen Schal und die Kombination passte irgendwie nicht zusammen, und überhaupt sagte ich ihr, dass ich noch nie in meinem Leben einen Schal getragen hatte, aber sie sagte, in der Hölle sei es kalt und damit meinte sie offenbar Virginia, diesen Höllenbunker,aus dem sich noch niemand herausgespielt hatte, und die ganzen Progolfer meinten nur dazu, hey man, Virginia ist so abgefucked, da schlägt sich keiner mit einem Birdie raus, das geht gar nicht, nicht mal Tiger Woods schafft das,
und ich sagte so etwas Intelligentes wie ups, als ich mich umsah und meine Frau realisierte, dass sie in Virginia bleiben musste. Sie sagte nur, das passiert, dann war sie weg, doch aus dem Off hörte ich sie noch sagen, schmeiß das T-Shirt nicht bei 60 Grad in die Maschine, dann läuft es ein.
Glitches schlichen sich ein. Unmerklich. Das war nicht das Ende, nur ein neuer Loop. Ich stolperte über zwei flache Stufen und machte sie wegen ihrer blöden Existenz zur Sau. Wie leicht kam man nach Virginia? Manche buchten überteuerte Tickets, andere fielen von Leitern. Charob sagte zu ihnen, sie hatten passiert. Und überall grassierte der Hochmut. Ich horchte an der Wand, weil ich dahinter jemanden übertrieben atmen hörte, und der sagte, dein Blick ist gut. Anschließend synthetisierte ich Heu, wieso auch immer, und spritzte es mir intravenös, wieso auch immer, ich hatte nichts Besseres zu tun und fragte mich, wie man am dämlichsten nach Virginia kam. Natürlich verstopfte das Heu meine Arterien, aber ich hatte mich beim Zuschnitt vertan, und jetzt flossen sie durch meine Venen. Irgendwie war das nicht so ganz nach Plan verlaufen, musste ich anerkennen, und ich befürchtete, ich hätte jetzt zu viel Stroh im Kopf, um noch einen klaren Gedanken zu fassen, deswegen kam es mir nicht so klug vor, als Nächstes den Teufel synthetisieren zu wollen. Ich tat es dennoch. Ich nahm mir vor, meine eigenen Widersprüche auszuhalten. Und vielleicht hätte mir der Teufel sagen können, wie ich das Heu aus meinem Kopf bekomme. Also synthetisierte ich ein paar Perlen, um mir ein überteuertes Ticket nach Virginia zu buchen, um dort meinen synthetisierten Teufel zu treffen. Irgendwie machte das alles so gar keinen Sinn. Die drei alten Schachteln, die mir den ganzen Mist vorhergesagt hatten, mussten Probleme beim Einfädeln gehabt haben.
Show more +Jasmin Steffen
dunkel gefärbte brille
mit dunkel gefärbter brille die welt betrachten
und werfen
anstelle ein satz
zwanzig oder
anstelle zwanzig sätze
ein
spiel, satz und sieg
zusammenkürzen und
verstehende königinnen unsterblich machen
mit worten
an der sterblichen vergangenheit nähen
heu auslegen
punkte verbinden und
connect the dots:
heu wie schnee
versprechendes lachen, lachend versprechend
versprichtmeinnicht
was verspricht mein lachen denn nicht?
nur ein wort, nur füllmaterial
worte mit bedeutungen
an verschiedenen orten
überschneidend mit liegenden
wortarten
in zwei richtungen unterwegs
in der rückkopplung orientieren
und netze knüpfen mit
offenen enden und
enden offen und
öffnenden enden und
enden öffnend
ende
Show more +Josefine Sonneson
heu haufen, unzulänglichkeit
you! you have words for everything, you say
nicht für alles, nicht immer, sage ich
ich sage blitz eis schnee regen
finde wörter wie nadeln in heu haufen
es ist mühsam, nie reicht es aus
triffst du mit deinem wort mitten in das, was du meinst?
(genau das, mittenrein)
grabe zwischen pflanzen
ge droschen ge schnitten ge trocknet
schichte wahllos halme umher
layer over layer, dried gras
kann nur per zufall auf die nadel treffen
oder mit guten augen, mit ruhe, mit zeit, mit
vermutlich eher:
au! hier ist eine nadel.
und das ist dann wahr.
tut es weh, wenn es wahr ist?
Meret Stühmer
Zusammenhang
Der Zusammenhang ergibt sich aus dem, was sichtbar ist.
Ein Geist ist das verbliebene Gedenken, es ist nicht sichtbar. Es zeigt sich im Ton, im Klang, im bleibenden Schatten, der formlos folgt.
Nur einen Satz schreiben – obwohl es eigentlich so viel zu sagen gibt, aber nichts ist genug – diesen Satz. Er soll sprachlos sein und damit einzeln überhaupt nichts sagen, ich könnte in 100 Sätzen genauso wenig sagen, wie in diesem einen Satz. Dann ist es weniger zu glauben, dass dahinter gar kein Sinn, gar kein Sagenwollen steckt. Wieso den Krampf der Hand riskieren, für ein leeres Blatt Papier.
Die Wand wurde wieder übermalt. Das Wort »bedeutungslos« notiert in dunkelblauer Farbe, ist nun unsichtbarer Grund für Zigaretten, Baumarktwerbung, ein Plakat der nächsten Wahl.
Wissen gibt Worten Bedeutung. Mit Wissen kann Wort nie bedeutungslos sein. Es sein lassen, ist der Versuch, es zu fassen.
Show more +Nina Andresen
»Niemand kann von mir verlangen, dass ich
Zusammenhänge herstelle, solange sie
vermeidbar sind.«
Zusammenhänge können feine Netze aus sorgfältig eingefädelten Fäden sein oder mächtige Sprachgetüme aus eisernen Stahlkonstrukten, erbarmungslos zusammengehämmert und in ihrer Bedeutung zementiert. Einbetoniert vegetiert die Nicht-Identität dann vor sich hin, ihre Tragweite in der Dunkelkammer konserviert, nicht aber konsumiert. Diese Legende ist eine Lesart als sinnkonstituierende Erzählung und Tautologie. Die Brotkrumen werden für die Spurensuche der Zukunft verstreut. Nicht willkürlich, sondern ganz nach kultureller Disposition. Und wenn Brotkrumen Dinge sind und Dinge in ihren Arrangements Bedeutungsträger, ist dann nicht die Nicht-Identität von Wort und Bedeutung die Verneinung von Identität?
Worte sind Orte der Erinnerung und des Vergessens. Lieder von Hochmut, Fall und dem Vermessen einer Welt, die gleich einem Kaleidoskop voll Winkelformenvielfaltüberflut in meinen Gedanken tobt.
Worte sind keine Dinge, sondern Zeichen und Zeichen haben ein Erkenntnisparadigma. Ein Erkenntnisparadigma kann weder verbrannt noch sonst wie ausgelöscht werden. Es sind insbesondere die Wörter, die nicht bezeichnen, womit sie eins sind, deren Präsenz trägt. Über Zeitgrenzen hinweg schaffen sie mit Sprache Realität und Realität in Sprache und produzieren so Ohnmacht, mit der man vielleicht Gedichte schreiben sollte. Macht und Bedeutung nähren sich aus noch nicht hergestellten Zusammenhängen. Ohnmacht der Sprache > Macht eines Regimes.
Show more +Pauline Neumann
Worte stehen auf Händen und blätternd brechenden Zehnnägeln
Wie rindende Äste im Boden versunkener Spuren wachsen
In Unsichtbarkeit sichtbar werden
Sicher aus Sicht des Un s im Ich
Wie Mythen in redenden Worten zur Sprache kommen
Die ich nicht verstehe weil sie schon verstanden wurden
Weil sie Sprachen finden die ich suche
Suchen um nie finden zu können
Finden ist das Wort für Suchen
Sie tun nur so als wären sie gegensätzlich
Worte werden Waffen
Worte tun mir weh
Gegeneinander schaukelnd doch im gleichen Takt
In der Mitte aufeinander prallend
Im Gegensatzpaar
Auf einander acht gebend
Acht Arme und fünfundvierzig Füße
Gib acht
Nimm dich in acht
Du und ich
^8
Geben und nehmen
Die Worte stehen zwischen den Dingen die Namen tragen
Zwischen den Dingen die ich meine ohne sie zu meinen und trotzdem bedeuten sie ohne dass ich sie spreche
Sie rauschen im Wind an der Böschung am Rande in Kronen wenn ich mit Beinen an den Wurzeln der Bäume hänge weil meine Finger an Ästen gebrachen
Ich spreche Sprachen dessen Worte ich nicht verstehe
Weil Worte fallen
Peter Felix Müllejans
In den geschriebenen Zeichen lagen Wörter über Wörter. Gestern puzzelten wir, vorgestern kannte ich nur Bedeutung.
Oder so ähnlich würde ich anfangen, aber 1+1=3. Alles daran stimmt, vertraue mir und den Zeichen, denen ich meine Form aufpresse und den Rest ignoriere, nicht wie bei Keksteig, wo man die Überbleibsel immer zusammenknetet und dann so lange planiert, bis man wieder Formen stechen kann, oder vielleicht genauso, aber eher habe ich Angst vor dem Wasser.
Entschuldigung, liebes Du. Entschuldigung, liebe verformten Wörter und Worte. Entschuldigung, liebe lange Stricknadeln. Entschuldigung.
Entschuldigung.
Entschuldigung.
Entschuldigung.
Entschuldigung.
Entschuldigung.
Entschuldigung.
Entschuldigung.
Entschuldigung.
Entschuldigung.
Entschuldigung. Entschuldigung.
Entschuldigung. Entschuldigung. Entschuldigung. Entschuldigung. Entschuldigung. Entschuldigung.
Entschuldigung. Entschuldigung.
Entschuldigung. Entschuldigung.
Entschuldigung. Entschuldigung.
Entschuldigung. Entschuldigung.
Entschuldigung.
Entschuldigung.
Es tut mir
nie leid
genug.
I
C
H
Aber ich kann einfach
nicht mehr.
Zwischen Zeichen vor mir und Wörtern in mir liegen Bilder.
Im Schnee das Skelett eines Eisbären, in der Wüste könnte man es sehen, hier wird Weiß zu Weiß zu mehr Weiß, unter weißen Wolken, vor weißen Augen. Nur das Flimmern ist manchmal auch grau.
Überall Schneckenaugen, lange Stiele, die um Ecken knicken.
Die Köpfe sehe ich nur im Rauschen.
Und dann sind alle Bilder blank.
Show more +Stella Schiwy
Zweidreiundachtzig ist eine unendliche Zahl. Was ist der Nähfaden für die Unsterblichen?
Mary verwurzelt uns im Baumstumpf der Erinnerung. Dort, wo unser Stamm entspringen sollte.
Die Erinnerungen zerrissen in kleine Fetzen wie das feine Papier.
Einachtundzwanzig minus Zweieinsundzwanzig. Welcher Stoff macht uns vergänglich?
Mary hängt die Fetzen der Vergangenheit auf die sonnige Leine, vernäht sie zu einem düsteren Rahmen. Ihr Daumen trägt den Fingerhut. Den Ringfinger durchbohrt sie mit jedem Stich. Er wird eng verwoben mit den Lumpen durch den roten Faden. Unsere Ahnen färben den hellen Stoff. Blut fließt in die sauberen Nähte. Es sammelt sich auf dem Einband und sinkt in das durchtränkte Buch, auf das wir schwören. Für immer haben wir uns geschworen.
Zweisechsundhundert. Mary und Anne.
Wir singen immer noch dieselben Lieder, wenn wir unsere Herzen flicken. Ader um Ader vernetzen wir die Geister. Auch im Dunkeln führen uns die Venen zueinander. Die Linien längst verblättert in den Büchern unserer blutigen Verwandtschaft.
Show more +Tanja Finke
Das Verstehen kann nicht das Ziel sein. Nochmal das lateinische ›vertere‹. Nochmal die Frage des Umkehrens, Verdrehen. Spreche ich, wenn ich mich ver-spreche? Nutze ich die Sprache oder nutzt die Sprache mich? War es nicht ein Fehler, dich verstehen zu wollen? Stehen zu bleiben, weil ich dich verstehen wollte?
Mein Stillstand. Er musste dir komisch vorkommen. Die vier Fragen. Die vier Wände. Die dich und jedes gesagte Wort einschlossen. Die jedes gesagte Wort mit dir einschlossen. Als könnte es nur noch diese Worte um dich geben. Als könnte es dich nur mit diesen Worten geben.
Erst jetzt frage ich mich, wo ich denn ankommen wollte. Hätte es ein ›Wo‹ geben können, wenn ich mich an diesen vier Wänden entlang getastet hätte? Immer wieder. Immer an den Gleichen. Ein eckiger Kreislauf. Ein Kreis mit Nischen.
Deine Worte – vielleicht war es gut, dass du sie gleich aus der Waffenkammer holtest. Vielleicht trafst du mich. Ein, zweimal. Oder auch nicht. Vielleicht fühlte es sich nur so an. Die Erschütterung. Heute bin ich mir fast sicher, dass du es auf die Wände abgesehen hattest.
Wolltest du das nicht immer? Meine Wände zerstören?
Show more +Veronika Hauger
irgendwas ist komisch
ganz oben meine schuhe klicken ein ich ziehe die handschuhe an
das tuch ist von innen nass ich denke es sollte gefrieren
dabei es ist warm
das ist komisch
und dann sehe ich mich um
das erste mal oben und es ist überall grün
außer dieser eine streifen auf dem alle runter fahren ins tal
tiefschnee teilweise
frisch gefallener
oder es fällt gerade
eine pistenraupe
und sie kämpft sich nach oben
es schneit nur über diesem einen streifen
als ich dann merke wie warm es ist
ziehe ich viel aus und andere machen es mir nach
ich laufe zu der runden öffnung aus der schnee kommt oder sowas
und ich erinnere mich dass es früher die wolken waren unter die ich mich stellte
Yasmin Sibai
Versuch I
Den Mund voll
Voll Heu
Voll Regen
das kommt vor Reden
bedeutet aber das Gleiche
Reden kommt vor Recht
mit dem alles schon gesagt wurde
was lieber ungesagt
geblieben wäre
Den Mund voll
lieber voll Schnee als
voll Wasser
das läuft so raus
an den Seiten
den Mundwinkeln
vorbei
Schnee bleibt
wenigstens einen Moment lang
fest
die tröstliche Gitterstruktur
verlässlich
nur einen Moment lang
sich bedenken
die Änderung
des Aggregatzustands
vor den Worten
wägen
das Schmelzen
spüren und verschieben
in der Höhle
den Mund voll
voll Schnee
obwohl man den
nicht essen soll
Versuch II
was lieber ungesagt geblieben wäre
was wenn auf worte keine taten
auf den straßen in den häusern
den aufmärschen draußen oder drinnen in köpfen
machte keinen unterschied mehr
was gewesen wäre wenn dann hätte
er nicht auf dem dachboden
allein die kniekehlen ganz flach
gehen lernen hat er müssen später
wie kaspar hauser nur später
vier jahre alt auf den splittrigen dachbodendielen
gesessen, den rücken zur wand
die beinchen durchgedrückt
die kniechen durchgedrückt
stunden lang so gesessen
auf den dachbodendielen den dünnen
ganz still gesessen drei Jahre lang
den rücken an die wand
die kniekehlen an die dielen gedrückt
still geatmet still gelebt still gehalten
durchgehalten
durchhalten können weil es die gab
die hatten schweigen können
bis zum schluss
keine worte verloren
nicht eins zu viel gedacht gemacht
die kniekehlen ganz flach
gehen lernen
hat
er
müss-
sen
danach
Show more +Versuch III
windig war es gewesen an dem Tag als er seine Familie bat sich vor dem grauen Haus zu versammeln wo auf dem Gehweg eine kleine Aussparung schon vorbereitet war schon eine Gehwegplatte herausgenommen und in Stücke zerteilt um sich um das Loch herum zu fügen in das er das glänzende Vierkant würde gleiten lassen aber nicht zu tief die Oberfläche sollte ebenerdig mit den Platten aber nicht vollkommen glatt stolpern sollte man
Show more +