In den Hallen der Buchmesse stinkt es zumeist nach Schweiß, nach Plastik, es ist voll, laut, ständig wird man angerempelt und von Bibelvertretern angequatscht, die einem ihre Bücher für umsonst andrehen wollen. Doch es gibt noch andere Orte auf der Leipziger Buchmesse. Es sind die Orte der Ruhe und der Andacht, des friedlichen Beisammenseins und der frischen Luft. Es sind jene Orte von denen ein großer Mann einst sagte: „Hier, an diesem Ort, hier kann man dem Trubel der Messe entgehen und Frieden finden. Kann ich mir mal ne Kippe schnorren?“
Zwischen den Hallen, dort wo die Sonne scheint, der Wind dir sanft um die Nase spielt, dort wo die lachenden Kinder und die Raucher sich tummeln; dort befinden sich die Raucherinseln, kleine Flecken Freiheit in einem so beengenden Wirrwarr von Menschen. Sie sind die Silberstreifen am Hallenrand, die Stätten der Einkehr, des Atemholens und Inhalierens. Viel zu leicht geschieht es also, dass man sich bei jedem Hallenwechsel an diesen Orten wiederfindet, Blättchen und Filter zur Hand nimmt und das Ganze mit ein wenig kostbarstem Virginia Blend vollendet. Eigentlich sind es aber nicht die Zigaretten selbst, die einen hierher locken. Es ist die Umgebung, die Ruhe und vor allem: Es sind die Menschen. Während man drinnen fast an ihnen erstickt, sich innerhalb der Massen irgendwie ein seltsam beklemmendes Gefühl der Einsamkeit auftut, so kommen auf den Raucherinseln die richtigen Gespräche, echte Nähe zustande. Die Gesprächsstarter schlechthin „Kann ich mir mal eine schnorren?“ und „Hast du mal Feuer?“; sie sind der Zunderschwamm der Konversationswelt.
Erst auf den Raucherinseln lernte ich andere Besucher besser kennen, lernte von ihnen und sie von mir. Ich lernte zum Beispiel von einem Social-Media Anwalt, dass das Internet in Finsternis versunken ist, von einem Verleger, dass das Buchgeschäft schlimmer als das Drogengeschäft sein kann und von einem Typen namens Pulle lernte ich, dass die Menschen auf der Erotikmesse viel lockerer drauf sind, als die auf der Buchmesse. Sie lernten von mir, wie man sich Zigaretten dreht. Ein Geben und Nehmen. Weisheit gegen Zigarette. Ganz wie im Knast. Nur dass es hier keine Gitter gibt, sondern offene Türen. Offene Türen und offene Arme.
Nach vier Tagen Messe verflucht man sie dann aber doch, diese fiesen, kleinen Glimmstängel. Der Hals schmerzt, das Atemholen fällt schwer und die letzten fünf Euro, die man jetzt hätte für ein Buch ausgeben können, stecken bereits im Portmonee irgendeines schmierigen Tabaklobbyisten. Auf Wiedersehen Buchmesse und ciao lange Lebenszeit.