Ein frohlich-verspieltes Cover, Karten der bezaubernden Nordseeinseln Föhr und Amrum auf der Innenseite des Einbandes und ein Plot, der dem Rückentext zufolge nach leichter Feel-Good Unterhaltung klingt – Unverblümt im Sommerwind gibt sich als entspannender Urlaubslektüre, egal ob am Strand, oder coronabedingt auf Balkonien.
Eine Düne und gefühlte achtzig Treppenstufen weiter schlüpfte Judith aus ihren Schuhen und bohrte die Zehen in den feinen Sand. Es fühlte sich an wie früher.
Simone Veenstra in Unverblümt im Sommerwind, erschienen 2020 im Heyne Verlag
Die junge studierte und gescheiterte Kunsthistorikerin Judith flüchtet zu ihrem Onkel nach Amrum, um das Lügen zu lernen und so ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Parallel wird die Geschichte von Teda erzählt, die etwa 100 Jahre zuvor auf Föhr gelebt hat. Sie erkämpfte sich einen Studienplatz für Kunst, kehrte aber nach Nordfriesland zurück und baute die Villa Pippilotta auf, in der gestrandete Seelen sich durch die Kunst neu finden können. In der Gegenwart findet Judith sich dort nicht nur mit einigen schrulligen, aber liebenswürdigen Gestalten wieder, sie entdeckt auch Tedas Tagebuch, hilft der Künstlerin post mortem die ihr gebührende Anerkennung zu erlangen, adoptiert einen Hund und verliebt sich natürlich auch – Happy End.
Der Plot von Unverblümt im Sommerwind ist angenehm – originell, nicht zu simpel, bringt den Kopf aber auch nicht zum Rauchen. Die Sache hat nur leider einen Haken: Den Roman locker auf dem Liegestuhl zu genießen fällt schwer, und zwar aus mehreren Gründen, die sich durch ein gründlicheres Lektorat weitestgehend hätten vermeiden lassen können.
„Für sein Bett hatte Olaf ein kleines Podest gezimmert. «Ganz seniorengerecht», hatte er gegrinst, aber Judith geahnt: Eigentlich ging es ihm darum, so weit wie möglich sehen zu können“
Simone Veenstra in Unverblümt im Sommerwind, erschienen 2020 im Heyne Verlag
Sätze wie diese sind in Unverblümt im Sommerwind leider kein Einzelfall, immer wieder gerät der Text durch schiefe Formulierungen ins Stolpern.
Hinzu kommt, dass der Stil des ganzen Romans darauf ausgelegt ist, alles so weit wie möglich auszuerzählen und gegebenenfalls doppelt und dreifach zu erklären, was findige Lesende schon beim ersten Erwähnen hätten verstehen können. So spielte es für Tedas Leben eine große Rolle, dass sie als junges Mädchen nicht dieselben Möglichkeiten wie ihr Bruder hatte und in vorgezeichnete Lebenswege treten musste. Dies wird im Roman sehr direkt und in hoher Frequenz wiederholt, wie es auch mit anderen inhaltlichen Motiven geschieht, sodass das knapp 500 Seiten starke Buch gerne um einiges kürzer hätte sein können. In diesem Zuge hätte man dann auch das Pathetische ein wenig runterschrauben können.
All das macht Unverblümt im Sommerwind zu einen freundlichen Urlaubsroman, der leider nicht allzu sehr entspannt.