Joshua Cohens Roman “Auftrag für Moving Kings”
Das Lagerbusiness ist ein Business was keine Skrupel zulässt, es ist ein Business, was seiner ganz eigenen, inneren Logik und Struktur folgt, abseits von einem tumultigen New York. Und David King hat keine Skrupel. Er ist es, der das Logistikunternehmen, den Familienbetrieb leitet.
„Kings Moving“ organisiert Umzüge, lagert ein, vollzieht Zwangsenteignungen und profitiert davon: Nein, David King hat keine Skrupel. Da ist die ihm vorgeworfene Habgier. Da ist seine versaute Ehe, der schwierige Kontakt zu seiner Tochter, sein Herzleiden. Selbst für seine Affäre kann er sich nicht entscheiden. Und über allem dräut die Holocaust-Vergangenheit der Eltern-Generation.
„Seine Eltern hatten nie Zimmerpflanzen gehabt, sie wären nicht mal mit einem Kaktus fertiggeworden.“
David ist eine passive Figur. Er delegiert gerne. Alles an ihm ist sporadisch und unmotiviert. David dümpelt, er vegetiert und wir sehen ihm dabei zu. Da sind Lagerhallen voller Dinge in seinem Besitz, „Dinge, die jede Beziehung zu ihren Besitzern verloren [haben]“. Ein ganz ähnliches Verhältnis, wie David es zu seiner jüdischen Herkunft hat.
Zu seiner Familie, seinen Wurzeln, da ist ein Bezug, den er nicht leugnen kann, den er aber auch nicht fassen oder ausleben kann, jüdisch sein in New York ist die schwerste Aufgabe, die das Leben an ihn gestellt hat, schwerer als das Leiten eines Familienunternehmens, schwerer noch als das Vatersein. Und nur deswegen, vermutlich, nimmt er seinen Neffen Yoav bei sich auf.
David lässt Yoav schwarz in seiner Firma arbeiten und dieser ist genauso verloren in diesem neuen Leben, in diesem plötzlich Jüdisch-Sein außerhalb seiner Heimat, wie David es ist. Yoav steckt fest in seiner Vergangenheit bei der Armee, er weiß nicht warum er in New York ist, was er will.
Ziellos fährt Yova in den Transportern durch die Stadt. Geheimwege und Schleichwege, eingequetscht zwischen den anderen Möbelpackern und das Umherfahren ist im ganzen Roman ein wunderbar plastisches Symbol für eine Orientierungslosigkeit, das Dümpeln und Treiben in einem Großstadtleben.
„Egal wer fuhr und wer Beifahrer war, Yoav saß immer auf dem Deppensitz. In der Mitte“
Yova wiederum nimmt Uri, seinen ehemaligen Kamerad aus dem Wehrdienst in Israel bei
sich auf, und beide arbeiten sie gemeinsam schwarz für den Familienbetrieb.
Im Grunde erledigen sie Dinge für „Kings Moving“, die sie genauso schon für die Armee
getan haben.
Generell schafft Cohen eine kuriose Parallele zwischen Logistikunternehmen und Armee. Der einzige Unterschied zwischen den weit voneinander entfernten Welten liegt darin, dass „Soldaten nicht dazu da [sind], Chaos aufzuräumen, sondern Chaos anzurichten“. Ansonsten charakterisiert beide eine eigene innere Logik, Codes, Verhaltens- und Vorgehensweisen. Es gibt Hierarchien, feststehende Rangordnung, an die sich gehalten werden muss. Es gilt bloß Befehle auszuführen.
Und Yova und Uri fügen sich dem. Bleiben in derselben passiven Haltung wie schon bei der Armee. Uri bereitwillig, Yova immer zweifelnder. Die zwei Freunde teilen sich eine Wohnung, Frustration, Resignation, Ziellosigkeit. Das ganz bestimmten Rollen und Bildern entsprechen, sich chancenlos einordnen lassen müssen. Und natürlich muss es irgendwann Implodieren. Aber die Implosion verschafft kein Aufatmen. Sowieso lässt einen nichts an diesem Roman aufatmen. Ganz im Gegenteil hält man all das fast nicht aus.
Den Stillstand der Figuren. Das Abwarten von Handlung, das Einlagern von Emotionen und Entscheidungen. In ständiger Konfrontation mit der Willkür der Welt und der eigene Unzulänglichkeit. Die drei Figuren bleiben immer ein Stück weggetreten, alles widerfährt ihnen nur. Sie stehen auf Distanz zu ihrem eigenen Leben.
Eine Distanz, die auch zwischen den einzelnen Figuren herrscht. Zwischen ihnen und ihrer Vergangenheit, ihrer Heimat, ihren Wurzeln, und der Sarkasmus untermauert die Distanz.
Nun, einerseits lässt Cohens Roman sehr viel Raum, jeder Ansatz, jede Andeutung macht Fenster und Türen auf und lässt einen abschweifen. Und während der gesamten Lektüre schwebt man in anderen Sphären, in diesen sarkastischen Abgründen psychologischer Tiefe und dann bricht die Sprache.
Andererseits lässt sich all das Phlegma stellenweise nur noch durch Cohens pointierten Dialoge und seinen ganz eigenen Tonfall ertragen. Ein Tonfall, der mit genauen Beobachtungen, Zuschreibungen und Vorurteilen, unangebracht hart, aber liebevoll präzise ist.
„Es war eine Schwäche des Herzens. Während der Behandlung hatte er sich mit Sentiment angesteckt, mit Nostalgie, ein schlimmer fall von Krankenhausinfektion.“
Und in allem, worüber Cohen schreibt, hängt dieser Hauch von Absurdität, der auch Alltag sein könnte. Sei es in einem stressigen New York, oder in Rückblenden im Einsatz auf dem Grenzstreifen.
„[…]aber dann änderten sich die Höhenmeter und die Landschaft, Spezialkenntnisse spielten keine Rolle mehr, militärischer Rang viel ab wie ein Felsbrocken.“
Cohen verwendet eine Sprache, ein Vergleichssystem, eine Symbolik, die abgefahren haptisch und poetisch zugleich sind. Und damit ist nicht nur gut recherchierter Fachjargon unter Lagerlogistikern gemeint.