Wie gehen wir mit der Krise um? Wenn ich meiner Timeline Glauben schenken darf, macht jetzt jede*r Yoga. Oder meditiert. Am besten gleich beides, nach dem Schlürfen des morgendlichen „greensmothie“. Oder trinkt man den erst danach? Ich gebe zu, in dieser Materie kenne ich mich nicht aus. Meine Morgenroutine besteht aus Nutellabrot und Handy checken. Ganz ungesund (beides).
Covid 19: Für viele Menschen existenzielle Bedrohung, für Andere hingegen die Chance zur Entschleunigung. Hach, ist es nicht ein Geschenk, sich auf das Wesentliche konzentrieren zu können? (Das im Falle meiner Facebookfreund*innen da wäre, sich beim Yoga mit Selbstauslöser abzulichten, um das Ganze dann mit #yogaeverydamnday oder #healing zu teilen.) Endlich Zeit zur Persönlichkeitsentwicklung!
Oooder, Zeit sich Sims 4 zu besorgen.
Ein Dauerrenner unter den Computerspielen. Bereits seit 2014 erfreut es sich großer Beliebtheit. Und diese nimmt nicht etwa ab, im Gegenteil. Laut EA war das Jahr 2018 mit einem Zuwachs von 5 Millionen neuen Spieler*innen das bisher erfolgreichste der SIMS 4 Geschichte; Tendenz sogar steigend. Zu gerne würde ich die aktuellen Nutzerzahlen wissen, hat die Krise uns doch alle noch mehr vor die Bildschirme gelockt als sonst. Sei es um Netflix zu schauen (Ich glaub ich bin jetzt durch), mit den Liebsten zu skypen – oder sich eben seine virtuelle Welt zu erschaffen.
Und das geht bei Sims 4 verdammt gut.
Familienkonstellation, Partner, Aussehen, Charaktereigenschaften, Lebensziele, Wohnumfeld; alles lässt sich per Mausklick individualisieren. Seit 2016 muss man auch nicht mehr zwischen Frauen- und Männerbekleidung wählen und jede*r kann unabhängig vom Geschlecht Kinder austragen. Abstand der Augen, Größe und Form der Nase, Breite der Schultern, Höhe der Wangenknochen – nur ein paar Beispiele inwieweit man auf die Optik des Sims Einfluss nehmen kann. Und zwar so genau, dass ich mich frage, wieso Sims 4 eigentlich nicht das gängige Medium zur Phantombilderstellung ist.
Also könnte man sich so die echten Menschen nachbauen, die man derzeit nicht besuchen darf. Man könnte seinen Exfreund erstellen und eine Familie gründen. Rein theoretisch. (Mach ich natürlich nicht, das wäre ein bisschen traurig.)
Stattdessen erschaffe ich eine andere Familie, die Bringers. Vater, Mutter, Zwillingsbabys und eine Teenagertochter. Der Vater, Brian, ist dank dem Erweiterungspack „Elternfreuden“ ein Familienmensch, und glücklich, wenn er mit seiner Familie interagieren kann. Für das Erfüllen von Wünschen wie beispielsweise seinen Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen oder durch Lob und Tadel Einfluss auf die Charakterzüge zu nehmen, gibt’s Punkte auf das „Glücklichkeitskonto“. Die Zufriedenheit lässt sich nämlich ganz leicht messen bei den Sims.
Die Mutter Bea ist eine Künstlerin, natürlich. Denn so eine virtuelle Künstlerkarriere ist nämlich viel leichter umsetzbar als eine echte. Die Teenagertochter Bali sieht verdammt cool aus. So cool, wie ich als Teenager auch gerne ausgesehen hätte. Und die Babys Brenda und Bolle sind nicht nur total süß, sie sind charakterlich sehr unterschiedlich und werden noch Brians und Beas Erziehungsfähigkeiten fordern. Je höher das Level dieser Fähigkeit, desto mehr Handlungsmöglichkeiten haben die Eltern: So kann Brian entscheiden, ob er Bali für das angerichtete Chaos bestraft oder nur tadelt, anschreit oder ruhig belehrt.

Je nach Charisma Level, welches man durch das Sprechen vorm Spiegel oder Lesen von Fachliteratur anheben kann, werden neue Interaktionen freigeschaltet. Ebenso hat die Beziehung zwischen zwei Sims Einfluss auf die Bandbreite der Interaktionen. Auch durchleben die Sims verschiedene Stimmungen, können selbstironisch scherzen, wenn sie beschämt sind, oder gehen aufs Ganze, wenn sie vor Selbstbewusstsein strotzen. Hitzköpfige Sims ändern ihre Stimmung schneller als fröhliche und negative Sims sind von Zeit zu Zeit grundlos traurig und wollen sich im Bett verstecken. So bringt Bea nur ein düsteres Kompliment über die Lippen, geht es um die Interaktion „Romantik“ gepaart mit der Stimmung „traurig“.
Es bleibt natürlich nicht beim Erstellen einer Sims Familie, schließlich braucht Tochter Bali einen adäquaten Freund. Wenn ich dank Corona schon nicht daten kann, dann soll wenigstens sie ihren Spaß haben. Und zwar mit Henri, dem Sohn von Heiko und Hildegard und Bruder von Hannah. Falls ihr euch im Übrigen fragt, wieso die Namen wie bei einem Hundewurf alle mit dem gleichen Buchstaben beginnen: Mein ausgeklügeltes System um Überblick zu behalten, bei all den Sims Haushalten, welche ich in den letzten Wochen erschaffen habe.
Dann beginnt der für mich schönste Teil des Spielens: Die Wohnung einrichten! Wände ziehen und wieder abreißen; Farbe, Böden und Möbel aussuchen, dekorieren und in jedes vorhandene Zimmer einen Flügel stellen. Sollte das Geld mal ausgehen, wird halt gecheatet.
Sims 4 Jahreszeiten
Mit jedem Erweiterungspack gibt es neue Einrichtungsgegenstände, Orte und Handlungsmöglichkeiten. So kann beispielsweise die sinistere Bea melodramatisch duschen oder der fröhliche Brian vor anderen mit seiner Familie angeben. Dank der „4 Jahreszeiten“ können die Sims im Winter Schneeengel machen oder sich im Sommer mit einer Wasserballonschlacht erfrischen. Vorlieben fürs Wetter können kommuniziert werden und somit auf Anklang oder Minuspunkte bei anderen Sims stoßen.
Bei den Erweiterungspacks reagieren die Macher*innen der Sims nicht nur auf ungelebte Träume (z.B.„Werde berühmt“) sondern auch auf gesellschaftliche Entwicklungen. So kommt nach dem „Tiny House living“ Accessoirepack nun auch das „Eco play“ Erweiterungspack, bei dem es um Umweltschutz und Nachhaltigkeit geht. Man kann seinen eigenen Strom herstellen, Müll recyceln und Projekte in der Nachbarschaft starten. Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich davon halten soll.
So absurd ich es finde, virtuell Strom einzusparen, während man im echten Leben Ressourcen nutzt, sehe ich auch durchaus das Potential mehr Bewusstsein für nachhaltiges Verhalten zu schaffen. Ich bin kurz davor mir auch „Ab an die Uni“ zu holen, besinne mich dann aber darauf, dass ich die Zeit wohl lieber in das Lesen echter Texte investieren sollte, anstatt es meinen Sims aufzutragen.
Wer sich fragt, wann eigentlich Sims 5 raus kommt, den muss ich leider enttäuschen.
Der Release wurde bis auf unbestimmte Zeit verschoben. Sims 4 spielt einfach noch zu viel Geld ein. Und, ich vermute stark, dass der weltweite Hausarrest diesen Effekt eher noch verstärkt hat. Höhepunkt der Absurdität meines Sims Spiels habe ich wohl nach 121 Spielstunden durch den Erwerb des „Hunde und Katzen“ Erweiterungspacks erreicht, indem ich virtuell Katzen streichele, während meine Katze neben mir liegt.
Traurig? Nun, Brian, Bea und Bali finden das nicht. Aber ich muss zugeben, jetzt wird es definitiv wieder Zeit für echte Interaktionen.