Zum Ende des Semesters trafen sich einige Menschen zum Abschlussgespräch des Online-Seminars „Glätte & Reibung“ mit Annette Pehnt und Guido Graf. Wir versuchten, zu zwei Themen gemeinsam Feedback zu geben und das, was dabei raus kam, das seht ihr hier:
Glätte & Reibung: Kollaboratives Schreiben und Arbeiten
Ich glaube, kollaboratives Arbeiten ist in manchen Fällen echt Glückssache: entweder man* kommt mit der Person gut zurecht, mit der man* zusammen arbeitet, oder eben weniger. Mich interessiert die Frage, ob man* Strukturen schaffen kann, die es eben nicht nur Glückssache sein lassen. Ich halte das nicht für möglich. Vieles kommt über eine gemeinsame Wellenlänge und natürlich lassen sich Grundvoraussetzungen dafür schaffen, aber das zu „erzwingen“ wirkt meist kontraproduktiv. Klar kann man* das, aber dazu bedarf es mehr Zeit, um an einem Projekt arbeiten zu können, das dann vielleicht auch nicht mehr Projekt nur ist, sondern von Dauer.
Es ist auch wirklich ein Unterschied, über Texte zu reden oder zu schreiben. Auch zeitlich – in so einem Textgespräch kann man* Ausgesagtes nicht mehr revidieren, aber man* kann direkt auf jemand anderes eingehen.
Am Anfang fand ich es sehr gewöhnungsbedürftig, kollaborativ zu schreiben, aber man* gewöhnt sich ja an alles…schlussendlich war es doch sehr bereichernd. War es dir am Anfang etwas zu einengend? Naja ich find halt Schreiben ohne direkte Kommunikation zu der Person, mit der ich schreibe total schwierig. Überhaupt nicht währenddessen kommunizieren zu können fand ich awkward… Das heißt, ihr hattet während des Schreibens wirklich nur Kontakt in/durch den Text? Wir haben das einmal ausprobiert, da ist dann ein ganz spannender Text-interner Dialog entstanden (also unser Text hat sozusagen mit sich selbst gesprochen). Das fand ich eigentlich eine spannende Erfahrung und es war auch für das Ergebnis ganz gut. Sonst haben wir eigentlich immer parallel mündlich drüber kommuniziert. Ja das mein ich, das mündliche Kommunizieren hat mir gefehlt, aber wie gesagt – daran hab ich mich dann irgendwie gewöhnt, also irgendwann fand ich es auch ganz spannend. Auch eine interessante Entwicklung, dass sich dieses Nicht-Sprechen dann irgendwann so normal anfühlt… Ich habe auch das Gefühl, ganz neue Menschen nur über Mails/Chats/kollaborative Projekte kennengelernt zu haben. Same, bzw. Menschen mit denen ich zusammengearbeitet habe, die aber eine kaputte Kamera hatten oder so, die hab ich nie gesehen! Wenn ich denen dann in einem Jahr auf dem Campus über den Weg renne, weiß ich gar nicht, dass wir mal zusammengearbeitet haben. Das hab ich auch schon überlegt, dass ich ganz wenige Gesichter nur noch kenne… dafür aber super intensive (Arbeits-)Gespräche mit diesen Gesichtslosen geführt habe.
Dieses Semester unter besonderen Bedingungen hat es glaube ich erst möglich gemacht, kollaborative Schreibprozesse in dieser Form auszuprobieren. Da wundere ich mich manchmal, dass es das gebraucht hat, um überhaupt auf diese Idee zu kommen! Zum Teil weil es anders ja auch gar nicht möglich war. Es war doch sehr bereichernd, sich mal aus dem gewohnten Schreib-Rhythmus zu begeben und von dem Gedanken an einen Alleinstehenden, nur einem selbst gehörenden Text wegzukommen. Einen Text live in einer Gruppe in einem Dokument zu schreiben, war sehr chaotisch, aber hat auch nochmal eine ganz neue Form des Schreibens bei mir angestoßen. Ich fand es auch super spannend, weil ich mich so intensiver mit ganz anderen Schreibstilen auseinandersetzen konnte, ich finde es immer wieder faszinierend, was eigentlich alles funktioniert. Das öffnet dann auch den eigenen Schreibhorizont sehr.
Das kollaborative Arbeiten macht es viel leichter ins Nichts hinein zu schreiben, was ja auch gut zu Pfeil und Bogen passt. Denn man* kriegt immer ein bisschen Anerkennung von seinen Mitschreiber*innen. Und mit anderen zu arbeiten gibt einem vielleicht mehr Motivation an etwas dran zu bleiben. Absolut. Vor allem online, wo alles sehr flüchtig und kontextlos herumschwirrt und versickert, gibt es nichts Besseres als ein gutes altes Community-Feeling. Ich mag es auch wirklich gern, direkt Feedback zu bekommen, weil das mir persönlich den Schreibprozess erleichtert.
Opinion: würdet ihr sagen, dass ihr emotionale Distanz zu den anderen braucht, um gemeinsam mit ihnen arbeiten zu können? Oder ist es produktiver, wenn man* sich besser kennt/einen Bezug zueinander hat? Würde ich nicht pauschalisieren. Wir haben dieses Semester als Freundinnen zu dritt geschrieben und gearbeitet und ich fand es äußerst angenehm, weil wir unsere Grundkommunikation schon geklärt hatten und wussten, wie wir miteinander umzugehen haben. Kommt für mich total auf die Thematik und vielleicht auch das Genre des Textes an… Lyrik könnte ich nicht so gut mit „Fremden“ schreiben, so journalistische Sachen gehen meistens ganz gut. Aber bei „persönlicheren“ Genres ist es gerade interessant, weil man* mehr riskiert und es kein „neutrales Gelände“ gibt. Interessant wird‘s vielleicht auch dadurch, dass man* bei fremden Leuten nicht weiß, was persönlich ist und was nur persönlich wirkt. Spannender Punkt… ich wüsste nur nicht, ob persönlicheres Schreiben für mich einfach zu unstrukturiert stattfindet/finden muss. Ich hatte das Gefühl, man* muss zum gemeinsamen Schreiben auch eine gemeinsame Struktur im Denken aufbauen/entwickeln und das stellt da für mich die Schwierigkeit dar.
Wenn man* sich wirklich radikal auf das gemeinsame Schreiben einlässt, ist es eine Herausforderung, die ich unglaublich produktiv finde. Alles, was wir üblicherweise für Autorschaft voraussetzen, ist dann hinterfragt. Es gibt keinen Masterplan mehr, man* muss sein Besitzdenken („mein Text“) aufgeben, ist ständigen Überraschungen ausgesetzt. Eitelkeit bleibt auch auf der Strecke. Das ist schon sehr nah an dem, was – utopisch – im kollaborativen Arbeiten erreicht werden sollte. Da kann das eigene künstlerische Ego schnell angegriffen werden. Aber ich stimme dir absolut zu, es ist ein toller Lernprozess. Ich finde es auch immer inspirierend, Werke von Anderen zu lesen und daraus Ideen für meine eigenen Sachen zu bekommen.