„Otto“ von Dana von Suffrin
„Otto“ von Dana von Suffrin, erschienen 2019 im Kiwi Verlag

Ein bisschen hiervon, ein bisschen davon: „Otto“

Ich sagte, Tann, wie seltsam, wir sind Kinder und wir bleiben Kinder von Kindern.

„Otto“ von Dana von Suffrin, erschienen 2019 im Kiwi Verlag

Das Besondere an unseren frühen 20ern? Student*innenleben, Samstagabende, Tinder, Wein – das Leben erfahren, genießen und reifen. Erwachsen, älter werden.

Und während an uns die schönsten Jahre unseres Lebens vorbeirauschen, altern nicht nur wir, nein, auch unsere Eltern werden alt (erwachsen sind sie zum Teil schon geworden). Und mit dem Altwerden der Eltern kommt auch das Komischwerden und schließlich das sich-um-sie-Sorgen-machen des Nachwuchs. Und dann sitzen wir irgendwann samstagabends beim Tinderdate und unterhalten uns bei zwei Flaschen Wein über die Gesundheitsprobleme unserer Eltern.

Eine natürliche, dennoch merkwürdige Entwicklung, diese Zeit, in der die eigene Familie plötzlich beginnt, vergänglich zu werden und Mamas und Papas nicht länger immerwährende Großmächte am Küchentisch sind, unter den wir unsere Kinderfüße stecken, sondern zu sterblichen Wesen werden, um die man sich, als das gute Kind, dann auch noch zu kümmern hat.

Auch Babi und ich waren greise Kinder gewesen, ganz alte Menschen in Micky-Maus- Kleidern…. und dann waren aus greisen Kindern einfach kindische Erwachsene geworden.

„Otto“ von Dana von Suffrin, erschienen 2019 im Kiwi Verlag

Dana von Suffrin schreibt in „Otto“ über Otto, den alt- und gebrechlich gewordenen rumänischen Patriarch, blickt dabei durch die schwarz-humoristischen Augen von Timna, Ottos ebenfalls alt, aber nicht wirklich erwachsen gewordenen Tochter, auf das gemeinsame Familienleben und das sich ankündigende Ende desselben.

Ich folge also Timna und ihren Geschichten, mit denen sie von dort nach hier stolpert. Ich lese von der gewaltvollen und verlustreichen Biografie einer verfolgten jüdischen Familie zweiter und dritter Generation, aber auch von den ganz privaten, abstrusen Lebensumständen, wenn man* als Tochter geschiedener Eltern – „Säuferin“ mütterlicherseits und „dreckiger rumänischer Jude“ väterlicherseits – zwischen zwei Schwestern und drei unerzogenen Hunden aufwächst. Und dann, natürlich, lese ich von den Ängsten und Sorgen einer Tochter, deren Vater stirbt; eines Vaters, der seine Töchter zurücklässt und davon, wie unglaublich sich dabei alle gegenseitig auf die Nerven gehen (Stichwort Altersstarrsinn und Harn-Geschichten).

Es sind viele Momente, die „Otto“ lebensecht und nachempfindbar machen, oft muss ich schmunzeln und an eigene Verwandte denken, manchmal den Kopf schütteln, über diese merkwürdige Familie, deren Mitgliedern ich da durch das Leben folge.

Dana von Suffrin liest aus „Otto“

Otto“ rauscht irgendwie rasant durch die Jahre, verdichtet sich mal zur Dramödie mit Potenzial zur seichten Nachmittagsunterhaltung um 16 Uhr, zeigt dann die großen Zusammenhänge zwischen Historie und persönlichem Leid auf und berührt mich damit dann doch auf eine ehrliche Art.

Damit das klar ist: Die Geschichte unserer Familie war kein Epos vom Suchen, Verlorengehen und Wiederfinden, an dessen Ende eine brave rotbäckige Familie die Ellbogen auf den Küchentisch stützte und zuversichtlich in die Zukunft blickte. (Ich glaube,      so sah mein Vater uns.) Unsere Familie war eher ein Klumpen Geschichten.

„Otto“ von Dana von Suffrin, erschienen 2019 im Kiwi Verlag

Ans Herz gewachsen ist mir leider keine der Figuren. Ich habe das Gefühl, die Besetzung kaum richtig kennengelernt zu haben. Dabei ist es gerade diese Oberflächlichkeit in der Erzählung, dem Tempo, der Stimme aber auch im beschriebenen Familienleben, im Miteinander, die mich auf den Seiten gehalten und neugierig gemacht hat. Eine Neugier – Auf mehr Tiefe? Mehr Information? – die allerdings nicht entlohnt und für mich nicht aufgelöst wird.

Ich bleibe unbestimmt unzufrieden zurück, mit vielen Fragen aber auch erschreckenden, traurigen Bildern, die für mich nicht unter den gleichen Buchdeckel passen.

Otto“ ist eine komische Mischung, aus der ich nicht ganz schlau werde, von der ich mich aber auch nicht lösen kann und will – vielleicht fange ich einfach noch einmal von vorne an…

Bild mit freundlicher Genehmigung von Kiwi Verlag