VIII.
Eszter T. Molnár: Die Nummerierten
Aus Casjens Rezension hab ich ja gelernt, dass es nicht Sci-Fi heißt, sondern SF, was Eszter T. Molnár verfasst hat und als Übersetzung aus dem Ungarischen vorliegt. Eine SF-Dystopie. Sie arbeitet mit relativ bekannten Mitteln, auch was Sexismen von als „männlich“ gelesenen Charakteren angeht, was für SF aber auch nicht unüblich ist. Gut finde ich es trotzdem nicht, weil ich auch nicht das Gefühl habe, dass es außer zur Atmosphäre zu viel beiträgt. Explizit Teil einer Figurenzeichnung wird es auf Seite 55. Der Text beinhaltet einen sehr interessanten Einsatz von Pfirsichen als Reflexions- und Erinnerungsanlass (S. 53).
Im ersten Teil geht es um Juli, die sich in der dystopischen Stadt bewegt, im zweiten Teil um einen als stark heterosexuell gezeichneten Minister, der eine neuartige maschinelle Verjüngung durchläuft, was jetzt nicht wirklich ein neues Thema ist, was SF angeht. Am Ende des Textes verlässt er das Land und kann sich an alles vor der Verjüngung nicht mehr gut erinnern. Generell ein sehr telling-lastiger Text, bin ich persönlich nicht so für.
IX.
Michael Kanofsky: Hans Henny Jahnn zeigt mir den Pegel bei Nienstedten und spricht mit mir über das Schreiben
Ein fiktiver Talk mit dem Autor Hans Henny Jahnn. Ganz geiles Bild ist es, dass der Jahnn am Ende im Nebel in Richtung Friedhof verschwindet… Aber der Text gibt mir insgesamt nix weiter, lol der Autor gibt ihm ja auch nur einen einzigen Tipp zum Schreiben und der ist nicht besonders krass: Er müsse weiterschreiben, wenn er mal mit dem Schreiben nicht weiterkomme, müsse dabeibleiben, sich nicht ablenken lassen. Das hätte ihm, glaube ich, auch wer anders sagen können und nicht Jahnn, nur weil Kanofsky gerade dessen Buch beendet hatte.
X.
Thomas Ballhausen: Was die Sonden berichten
Auch das ist wieder SF, auch das ist wieder viel telling: Eine Sonde entwickelt im Universum Leben und Widerstand gegen die erteilten Aufträge. Hab ich auch schon mal irgendwo anders gehört.
Ach, die KI hat einprogrammierte Grundregeln, was für ‘ne Überraschung in der SF! Bemerkenswert ist zumindest die Unterteilung in kleinere Nachrichten aus dem All dieser KI, deren Unterüberschriften wie „JUICE“ oder „INSIGHT“ oder „DAWN“ ich in Zusammenhang mit den entsprechenden Textteilen ziemlich nice finde. Die KI, die uns ihre Nachrichten aus Ich-Perspektive erzählt, entdeckt einen außerirdischen Konflikt auf einem vom Plan abweichenden Kurs, den sie nahm, weil vorherige Sonden ebenso abgewichen sind, ebenso nicht neu. Die Außerirdischen haben höherentwickelte Waffen. Unsere Sonde hat das Bedürfnis, sich deren Krieg (gegen alles andere Leben des Universums) anzuschließen, aber tut es nicht.
XI.
Günter Eichberger: Aschgraue Figur. Aus: Bosch
Das ist ein Text über einen Restaurantkritiker, der mir (oder der Zeitschrift) aber auch nicht wirklich einen Mehrwert gibt. Nur das Gefühl von einem Boomer+-Humor, alles so auf witzig gemacht, aber ist es halt zumindest für mich so gar nicht.
XII.
Birgit Pölzl: Frei. Leib
Frei. Leib beginnt schon ziemlich übel mit einem relativ deutlich beschriebenen Cishet-Blowjob im Zug und dem stark irritierenden Begriff „Rabenfrau“ (S. 71f ), der sich auf eine Frau mit Kopftuch bezieht. Ist das mit diesem Blowjob im Zug eine Referenz auf etwas? Hab mal was von so einem Vorfall gelesen, vielleicht finde ich den entsprechenden Artikel; Google bietet mir dazu jedoch vorerst nur irgendwelche Pornseiten an.
Den Absatz 2 auf S. 73 mag ich, der hat so einen aufzählenden Stream-of-Consciousness-Charakter von aneinandergereihten Stadtbildern und Beschreibungen von Graffiti. Danach geht es in einen Theatertext-artigen Teil rein uiii, sie sprechen nur noch in Theatertextform, like. Was ich aber gleich nicht like: Die Art wie Irene, eine der beiden Hauptfiguren, den Feminismus im Kapitalismus so sehr polemisch und verallgemeinernd kritisiert. Das ist schade, passt aber wohl zur Figur (*knirsch*). Ich finde es jedoch ganz ansprechend, dass sie sich für Anarchie ausspricht, allerdings darin relativ stereotyp gezeichnet ist. Das mit der Feminismus-Kritik hat mich erst sehr irritiert, aber beim Schreiben und erneuten Reinlesen war es schon eher eine Kritik am Feminismus im Kapitalismus.
Unkommentierte Figurenmeinungen können schon irgendwie immer auf dich als schreibende Person umgemünzt werden, denk ich mir, just random. Ich meine: Es gibt ja diese Diskurse, bei denen es unklar ist, ob die Autor*innen z.B. rechts sind, weil die problematischen Aussagen von Figuren nicht gerahmt oder kommentiert werden. Denkt die schreibende Person dasselbe? Muss sie das tun? Wo ist die Verantwortung für Lesarten, für problematische Positionen von Figuren? (Eine Debatte, die es zum Beispiel beim Roman „Die Wohlgesinnten“ gibt, inwiefern das legitim ist, aus der Perspektive eines SS-Offiziers zu schreiben.) Bei Pölzls Text stellt sich jedenfalls die Frage, möglicherweise unweigerlich, wie sie selbst sich zu Feminismus und Anarchie positioniert.
Die Beschreibungen von kreativen und politisch gestalteten Karnevalswägen bzw. Demowägen find ich gelungen (S. 74f). Ich mag an dem Text eigentlich auch diesen Aufbau wie einen Newsticker der einzelnen Abschnitte. Aber hä, why dieser random Blowjob am Anfang?! Hab erst auch nicht gecheckt, dass daran die Hauptfiguren auch beteiligt waren – ich vermute, es soll die beiden als „noch anarchischer“ charakterisieren, was meiner Meinung nach nicht wirklich geglückt ist. Wobei ich mich schon frage, ob ich das in einer als queer gezeichneten Beziehung nicht sogar fast gut gefunden hätte… – Okay, Touché!
XIII.
Wolfgang Pollanz: Aus: Wie ein Rabe. Song-Stories
Wolfgang Pollanz’ Beitrag ist auch wieder nicht so mein Fall; geht um 1 Typ, der so Homer, Shakespeare etc. VEREHRT(!) und diese Beschreibung auf Seite 79 einer Person als „blonde fette Frau“ ist einfach nur – schade, schade, schade, schade, ich schüttel mit dem Kopf, schade, schade, schade, schade. (Oder?) Und generell ist das hier für mich wieder einmal mehr eher so ein großes SCHADE. Was halt schade ist. In Teil 2 des Prosawerkes geht es dann um einen Besuch bei seiner sterbenden Frau, na ja, weiter, meine Kitschsensoren nerven mich bei Sätzen wie dem letzten: „Er hasste diesen Gedanken, Julie lag im Sterben, er hatte sie geliebt und jetzt würde er sie für immer verlieren, denn sie lag in diesem kalten, finsteren Raum und würde bald erlöst sein“ (S. 81). Ich seufze, ich seufze und bemerke:
Anmerkung 5: Die Schriftgröße is nicht so klein, eigentlich, hä, weird! Hä, warum wirkt das auf mich so klein, ich check’s nicht! Oder ist es doch so klein, keine Ahnung, kann es schlecht einschätzen.
& wir kommen zur LÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜRIK!!!