V.
Raphaela Edelbauer: Der Suizid des Otto Weininger aus der einzig anständigen Perspektive erzählt
Schon der Schreibanlass von Raphaela Edelbauers Text ist überzeugend! Sie stellt dem Text folgende Vorbemerkung voran, die zumindest mich aber nicht vom Googlen abhielt: „Otto Weininger, 1880 – 1903, war ein jüdischer sogenannter Philosoph aus Wien, der für sein Werk Geschlecht und Charakter bekannt wurde. In diesem verfocht der Keuschheitsapologet drei Thesen: Erstens dass der Mensch zweigeschlechtlich sei, zweitens die Minderwertigkeit der Frau sowie drittens die Weiblichkeit der als durch und durch schlecht klassifizierten jüdischen Religionsgemeinschaft […]“ (S. 32). Er sei von Hitler gelobt worden und werde noch heute von maskulinistischen Gruppierungen verehrt. Mehr Raum möchte ich Weininger hier nicht einräumen.
Mit diesem Text zielt Edelbauer auf Diskurse um den „richtigen“ Umgang mit Erinnerungskultur ab, wozu auch schon Leute Dinge geschrieben haben wie Aleida Assmann. Ist es wichtig, dass so ein Text den Namen dieser Person reproduziert, damit es nicht vergessen wird und nicht wieder passiert? Oder sollte Weiniger gerade deshalb vergessen werden? Wie ist der richtige, nicht- verharmlosende Umgang mit den dunklen Kapiteln der Historie? Edelbauer gelingt meiner Ansicht nach ein nachvollziehbarer Ansatz, sie kommentiert den Suizid, oft ironisch.
VI.
Ulrike Draesner: Juni 1940, Europäisches Nordmeer. Aus dem Roman Schwitters
Weil ich Ulrike Draesner auch persönlich mal traf weiß ich nicht, ob mein Eindruck von ihr als Person nicht auch meinen Leseeindruck ihres Romanauszuges beeinflusst. Ich halte mich daher zurück, sage erst mal nur: Der Text ist aus einer male Perspektive geschrieben und auch generell nicht soooo spannend, aber sicher gut gebaut…
Machen denn so „spannende Metaphern“ ErzählprosaTM besser? Ist ja trotzdem ErzählprosaTM (über einen für mich nicht so spannenden Gegenstand). Auffällig jedoch: Alle Sätze enden unten auf den Doppelseiten des Textes und beim Umblättern beginnt je ein neuer Satz, ist das intendiert? Hinzuzufügen ist noch, dass mir zumindest Schwitters und Jandl vertrauter sind, auch wenn sie in dem Romanauszug nicht weiter eingeordnet werden.
VII.
Manon Hopf: Handhalten. Drei
Ich mag den Erzählstil von Manon Hopfs Handhalten. Drei, das ist so total abstrakt-lyrisch. Gibt es da auf S. 48 eine queere Story? – Nee, hat nur kurz so vibes, löst sich dann doch wieder in einer heterogenen Beziehungskonstellation auf, die aber dennoch nie konkret wird und eben in einer höchst lyrischen Sprache daherkommt.
Auf Seite 49 gibt es wieder ein kleines Knirsch-Moment, wenn es heißt „Frau wie Mann“. Aber macht ja auch nicht so Spaß, immer wieder dasselbe in dieser Rezension zu schreiben, nehme es mit einem Augenrollen gerade hin, weil was soll ich auch sonst machen. Ich google Manon Hopf, ah sie ist auch bei fixpoetry, ansonsten finde ich was vom open mike. Sie scheint als eine der jüngsten Beitragenden dieser manuskripte-Ausgabe auch nicht an einer der sog. Schreibschulen studiert zu haben, das find ich erfrischend.
Anmerkung 4: Generell sind es kaum Leute von sog. Schreibschulen, teils auch weil die meisten vor der Existenz jener Studiengänge studierten. Dennoch finde ich das erst mal gut.