fenster
© Kristina Andabak

Blick aus dem Fenster #3

Meine Mutter versuchte meiner kindlichen „Kaputt-kaputt-haha-haha“-Phase mit der Existenz des Glasmannes entgegenzuwirken. Ich hatte gerade Feuer für mich entdeckt und liebend gerne Streichhölzer in meinen vollen Mülleimer geworfen, und auch das Geräusch von zerbrechendem Glas bescherte mir sehr viel Freude. So beunruhigend es auch klingen mag, so war die Fiktionalisierung meines Umfeldes vermutlich der beste Weg, um zu mir durchzudringen. Um mich zurück in die „Kaputt-kaputt-oh-nein-oh-nein“-Phase zu katapultieren.

Der Glasmann würde nämlich im Container unseres Vertrauens wohnen und sehr unter meiner Art und Weise der Glasentsorgung leiden, katastrophal schlafen zum Beispiel. Auch, weil er wegen mir noch länger wach bleiben müsste, um die Scherben all seiner verletzen Geschwister richtig zu arrangieren, sodass sie wieder heile und lebendig würden. Ich hielt ihn immer für eine Art Roboter, der aus Logikgründen nicht aus Metall sein sollte. Ich glaube, meine Mutter wollte mir auf diese Weise mehr Empathie beibringen, entweder dem Glasmann oder ihr gegenüber. Es war halt schon extrem laut. Doch mit der Zeit manifestierte sich diese Empathie irgendwie in Zurückhaltung.

Letztens ist der Glasmann wieder in meinem Traum erschienen und wollte mich in irgendein Abenteuer schubsen, an das ich mich nicht mehr ganz erinnern kann. Ein Skateboard-Wettbewerb oder Ähnliches. Ich hab abgelehnt. Wahrscheinlich ist er als Reaktion darauf zurück, dass sich meine Mutter am Telefon in Viva-La-Bam-Manier als „risikofähig“ bezeichnete, und ich nicht weiß, wann ich mein letztes Risiko eingegangen bin. Ich tippe auf das Mal, als ich mir für mein Pausenessen in der dritten Klasse Monte-Joghurt und Honig-Cornflakes zusammengemischt habe und mich dann den ganzen Nachmittag übergeben musste. Wahrscheinlich ist der Glasmann aber auch als Reaktion darauf zurück, dass ich nicht weiß, wie ich meine kaputte Fensterscheibe am besten im Glascontainer da vorne entsorgen sollte. Er scheint zu voll, und ich hab nie gesehen, wie Glascontainer geleert wurden.

Text von Marcel Schütte.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Kristina Andabak | Pfeil und Bogen.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Kristina Andabak | Pfeil und Bogen