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Jungautor und Verleger im Gespräch

  • Das Schöne an Ihrem Roman ist ja, dass er so kurz ist.
  • Ja.
  • Und trotzdem erzählt er richtig was.
  • Danke.
  • Aber bitte sehr: Kommen Sie doch erstmal rein.

Sie nehmen an einem Tisch Platz. Kekse zur Dekoration. Der Verleger schenkt zwei Gläser Wasser ein.

  • Wir schummeln ja schon ein bisschen im neuen Programm. Ich meine, Don Winslow? Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin Riesenfan, aber eigentlich ist das natürlich Genre. Gutes Genre.
  • (Nimmt einen Schluck Wasser.)
  • Ihr Favorite?
  • Ähm.

Der Verleger langt auf seinen Schreibtisch und reicht ihm ein Exemplar von „Das Kartell“.

  • Fast so gut wie Tage der Toten. Haben ihn damals von Suhrkamp gekauft. Solche Zugpferde brauchen wir jetzt fürs Literarische, sonst säuft uns das ab. Was machen Sie beruflich?
  • Na ja. Der Roman natürlich?
  • Iny und Elmar haben ihre Jobs auch irgendwann aufgegeben. Mit der Wanderhure ging’s los. Produzieren inzwischen einen Bestseller nach dem anderen, aber für mich wär das nichts. Den ganzen Tag am Schreibtisch, und abends läufst du dann wie ein Zombie noch schnell in den Supermarkt, um dir ne Tütensuppe zu kaufen …
  • Ich mag das Gefühl eigentlich.
  • … und die schaufelt man sich dann rein, schafft‘s vielleicht noch, Zähne zu putzen, schläft jedenfalls schlecht, und am nächsten Tag alles wieder von vorne. Ich meine: Puh!
  • Ja.
  • Wir dürfen unsere Leser im neuen Programm nicht überfordern. Ihr Roman, ich sage Ihnen, der ist gut, liest sich flott, unterhält, der macht Laune. Und bei alledem, und deswegen sind Sie ein wichtiger Baustein fürs Neue: Sie regen zum Denken an.
  • Danke.
  • Dieser … wie heißt er noch? (Schnippt mit dem Finger.)
  • Leonard.
  • Leonard! Dieser Leonard. Toller Name. Das ist so ein Prototyp unserer heutigen Gesellschaft. So ein richtig Versnobter. Das erzählt uns was.
  • Ja.
  • Toll. Ganz toll!
  • Danke.
  • Darauf springt auch das Feuilleton an. Die wollen so was (überlegt) … Kritisches. Unser Lektorat ist jedenfalls von Ihrem Roman überzeugt.
  • Das freut mich.
  • Und den Buchhandel überzeugen wir auch.
  • Schön.
  • Wir überlegen, Sie zu unserer Vertreterkonferenz einzuladen. Könnten Sie sich das vorstellen?
  • (Versucht sich eine Vertreterkonferenz vorzustellen.)
  • Da kommen dann alle unsere Vertreter, es gibt Buffet – Kaffee, Kuchen, Sekt – wenn man nicht aufpasst, schlafen die einem nach dem ersten Buch ein. (Lacht.) Aber die Konferenzen sind wichtig. Ganz wichtig. Ja.
  • (Versucht sich eine Lesung auf einer Vertreterkonferenz vorzustellen.)
  • Haben Sie noch Fragen?

Pause.

  • (Unsicher) Funktioniert das eigentlich wirklich noch so, dass die Vertreter rumfahren und bei den Buchhandlungen anklopfen?
  • Sie sind einer von der jungen Generation! Das merkt man. (Haut auf den Tisch.) Und genau so machen wir das auch mit Ihrem Roman: Ein junges Erzähltalent entlarvt seine Generation!
  • (Lacht, merkt dann, dass es ernst gemeint ist.)
  • Aber wissen Sie, das eBook ist eine Herausforderung. In England liegt der Marktanteil bei vierzehn Prozent. Der Deutsche ist da traditioneller. Über fünfundneunzig Prozent gehören immer noch dem gedruckten Buch – hätten wir unsere Vertreter nicht (zeigt mit dem Finger auf ihn), dann würden Sie kein einziges Exemplar verkaufen.
  • Tja …
  • Wir haben ja noch mal nachgelegt – das hat Ihre Agentur ganz clever gemacht. Und wenn Sie clever sind, dann warten Sie mit dem nächsten nicht länger als zwei Jahre. Ein gut verkauftes Buch merkt sich der Buchhandel!
  • Zwei Jahre.
  • (Nimmt sich einen Keks.) Aber der Buchhandel ist auch gnädig. Nach zwei Jahren vergisst er, wer Sie sind, sollte es nicht so gut laufen …

Pause.

  • Wollen Sie einen Keks?
Bild mit freundlicher Genehmigung von Gabriela Rodriguez