Ein Zug, durch die Zeit. Da ist ein Mann, der nicht ihr Mann sein kann, eine Familie und ein Land, das ihr näher ist als sie sich selbst und doch auch fremd. Die Ich-Erzählerin immer da und nicht da. Ein Duktus des “Ich sage”, “ihr sagt”, eine Reibung. Alles ist bildlich und alles ist vage. Viele Fragen, keine Antworten – vielleicht, weil die Antworten dem Leben der Menschen nicht gerecht werden würde.
Die Verweigerung von Erklärungen, die Verweigerung klassischer Narration, weil das, “worum” es geht, nicht linear ist, weil es eine Kausalität, wie sie in realistischer Prosa oft zu lesen ist, in dem Leben der Dargestellten nicht gibt.
Was bleibt, sind Bruchstücke, die durch die Aneinanderreihung Szenen bilden, Schichten der Erinnerung, die während der Reise von Paris nach Zagreb und von Zagreb nach Zürich auftauchen, die die Ich-Erzählerin verfolgen. Ein Großvater, der verstummte „rauchende Deda“, der aufhörte – aufhörte mit dem Reden, aufhörte mit dem Malen. Warum, eine Leerstelle. Es bleibt ein einziges Bild, das „Bild einer Frau in Türkis“, eine fremde Frau, die in der Wohnung ihrer Großmutter hängt. Es bleibt die „Großmutterinsel“. Es bleiben die Leerstellen, die unerwähnten und doch ständig präsenten Kriege.
Diese Geschichten haften an der Erzählerin. „Geschichten der letzten Generationen, die an meinem Körper kleben, dranhängen, als wären sie vergessen, und doch pochen sie jeden Tag, wandern sie jeden Tag mit“. Die Vergangenheit und Gegenwart sind ständig verwoben, die Gegenwart nichts als eine weitere Spielart der Vergangenheit; alles greift ineinander, greift ins Nichts. Da ist eine beständige Distanz. Ein Vakuum.
Die Erzählerin ist immer auf Reise, immer zwischen den Orten, zwischen den Sprachen, zwischen dem Ich, dem Du, dem Wir, dem Ihr, dem Uns. Auf einer ständigen Suche. Nach Identität, nach Halt, nach Ankommen, nach Autonomie. Doch alles haftet an ihr, will sich nicht lösen, kann sich nicht lösen – sie darf sich nicht lösen, will sich nicht lösen; und löst sich dabei auf. Die unvereinbaren Welten, die sie unaufhörlich auseinanderzureißen droht, die Inkongruenz, ist, was sie ihn ihrer Auflösung, in jedem Moment paradoxerweise zusammenhält, sie bestimmt.
In dieser rhythmisierten, gerahmten Meta-Erzählung, die Ivna Žics Debütroman „Die Nachkommende“ darstellt, verdichten sich alle Schichten zu einem literarischen Sediment, das die Sprachlosigkeit dessen, was konkret da ist, transparent macht.
Es ist ein experimentelles, rauschhaftes Unterfangen, dieser sprachliche Flug durch Raum und Zeit. Am Ende wird kein Bogen geschlagen. Es bleiben nur Versatzstücke. Ivna Žics konsequente Radikalität der Verweigerung beeindruckt nachhaltig.