Gespräch mit Alina Herbing
Soll ich jetzt so ein paar Zutaten nennen? Also Menschen natürlich, die mir wichtig sind, ein soziales Netz. Dann brauche ich Sport und Bewegung zum Klarkommen und körperlich gut fühlen, damit ich schreiben kann, als Ausgleich zu dem ganzen Sitzen. Ich brauche neue Impulse, aber dann auch wieder Ruhe und Eintönigkeit zum Schreiben. Ich brauche ab und zu Natur, um runter zu kommen von der Stadt. Und natürlich Bücher. Texte, die ich lesen will. Ich lese gerne wild rum, auch mal soziologische, kulturwissenschaftliche und gendertheoretische Texte. Es kommt darauf an, was mich gerade interessiert und was ich selbst gerade schreiben möchte. Während meines Germanistik-Studiums habe ich mich lange Zeit fast nur mit Lyrik beschäftigt, obwohl ich selbst gar keine Lyrik schreibe. Ich mag Texte, bei denen man es hinkriegt auch mit wenigen Worten viel herzustellen. Seit ein paar Jahren versuche ich bewusster, mehr Literatur von Frauen und mehr Literatur aus anderen Kontinenten und kleineren Ländern zu lesen, nicht nur aus Westeuropa und Nordamerika. Aus diesem üblichen Kanon auszubrechen, macht mir Spaß, neues zu entdecken und weiterzuschauen.
Meine Einnahmequellen verändern sich ständig. Während meines Studiums war ich Babysitterin, Nachhilfelehrerin und habe eine Zeit lang in einem Hotel gearbeitet, als Zimmermädchen und Frühstückskraft. Außerdem war ich viele Jahre Hiwi. Nach dem Studium hab ich erst mal gekellnert, hatte dann ein Jahr lang einen Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin und anschließend das Glück, mal ein halbes Jahr lang Arbeitslosengeld zu bekommen. In der Zeit habe ich eine Ausbildung zur Deutsch-als-Fremdsprache-Lehrkraft für Integrationskurse gemacht. Danach habe ich auch in dem Bereich gearbeitet. Frauenintegrationskurse zu geben, hat mir sehr viel Spaß gemacht und es ließ sich ganz gut mit dem Schreiben verbinden.
Ich hatte natürlich auch Phasen, in denen ich gedacht habe: „Ich kann jetzt nicht weiterschreiben, weil ich nicht weiß, wie ich im nächsten Monat über die Runden kommen soll“, aber mittlerweile ist das schon besser geworden.
Zwischendurch habe ich auch noch das ein oder andere Stipendium bekommen. Ich war zwei Monate in Rostock und konnte dort meinen Roman fertig schreiben, im vergangenen Winter war ich in Schöppingen und jetzt im Herbst bin ich in Eckernförde.
Jetzt weiß ich, dass ich bis Ende dieses Jahres abgesehen von den Lesungen wahrscheinlich keinen Job mehr machen kann, weil es zeitlich nicht ginge. Dann gucke ich, was nächstes Jahr kommt, ob ich da ein Stipendium kriege oder, ob ich anfange wieder zu arbeiten. Ich hab jetzt schon so viel gemacht, dass ich relativ entspannt bin, weil ich weiß, es wird halt irgendwie weitergehen und dann ist es auch egal, dass ich jetzt noch nicht weiß, was ich im Januar mache.
Das ist so eine Sache, die ich mich auch ständig frage und immer wieder neu ordne und überdenke. Ich hatte zum Beispiel, nachdem der Roman rauskam, erst mal so eine Phase, in der mir bewusst wurde, auf wie viel ich eigentlich während des Schreibens verzichtet habe. Das ist ja nicht nur die Tatsache, dass man finanziell schlecht aufgestellt ist, sondern auch, dass man teilweise nicht so viel reisen kann oder auf andere Sachen verzichten muss. Nach dem Roman dachte ich dann erstmal: „Hat sich das eigentlich alles gelohnt?“ Natürlich hat es das, aber ich denke auch, bevor ich wieder in der Arbeit an einem neuen Roman versinke, muss ich ein paar Sachen machen, auf die ich verzichtet habe. Ich glaube, das ist so ein ständiges Neujustieren des Lebens. Und immer wieder die Frage: Was will ich jetzt eigentlich und wo will ich leben? Es ist ja auch eine große Freiheit, die ich da habe. Dass ich, was den Job betrifft, nicht an einen Ort gebunden bin.
Bevor mein Roman rauskam, dachte ich, dass ich das toll fände mit der Öffentlichkeit. Als es dann losging, war ich erst mal überfordert. Ich musste damit klarkommen, was das für meine Person bedeutet. Für mich war mein Roman einfach nur ein Text, den ich geschrieben hatte und viel mehr hatte das für mich nicht mit meiner Person zu tun. Aber sobald ich dann in der Öffentlichkeit stand und sehr viele, teilweise auch persönliche, Fragen gestellt bekam, musste ich für mich selbst entscheiden, wie viel ich von mir offenbaren will. Das war etwas, womit ich mich bis dahin noch nicht beschäftigt hatte. Aber es ist andererseits natürlich sehr schön, wenn ein Buch Aufmerksamkeit bekommt, wenn Leute von meinem Buch begeistert sind, oder wenn ich merke, dass es sie berührt hat oder etwas in ihnen bewegt. Wahrscheinlich wäre ich unzufrieden gewesen, wenn es nicht so gut gelaufen wäre.
Es ist immer noch mein Traum, langfristig nur vom Schreiben leben zu können, obwohl ich es auch ganz angenehm finde, nicht vom Schreiben abhängig zu sein, also immer auch die Möglichkeit zu haben etwas anderes zu machen und einem Text damit mehr Zeit lassen zu können. Ich will nicht denken, ich muss bis dann und dann mit dem Roman fertig werden, weil ich Geld brauche, sondern, ich schreibe und lasse dem Roman so lange Zeit, wie er braucht und das Geld verdiene ich halt woanders. Das hat auch etwas für sich.
Alina Herbing lebt in Berlin. Anfang dieses Jahres erschien ihr Debütroman “Niemand ist bei den Kälbern” im Arche Verlag. Von 2009 bis 2013 studierte sie an der Uni Hildesheim unter anderem “Literarisches Schreiben“.