Verhalt dich mal nicht wie ein kleines Mädchen. Steh deinen Mann.
Du willst kein kleines Mädchen sein. Du willst aber auch kein Mann sein – das wäre ja totaler Blödsinn und so gar nicht feministisch. Weil du weißt ja sowieso, seit du ganz allein den IKEA PAX Schrank aufgebaut hast, dass Frauen genauso stark sind wie Männer. Wenn man überhaupt an Männer und Frauen glaubt. Aber irgendwie ist das ja so und das wäre ja auch voll anstrengend, wenn man diese ganzen Kategorien einfach umwerfen würde. Abgesehen davon, dass das ja sowieso nicht klappt. Deswegen sind kleine Schritte besser als keine, oder? Du holst ein Shirt aus deiner Schublade – war ein Schnäppchen beim H&M – und auf deiner Brust steht:
Starke Frau.
In der gleichen Schublade liegt das kleine Mädchen begraben, das du mal warst. Die starke Frau und das kleine Mädchen kommen aus dem gleichen Universum, beides bist du. Nur fühlst du dich jetzt als starke Frau ganz anders, als damals. Weil jetzt bist du groß und autonom oder authentisch – irgendwas mit au halt – und löst dich aus diesem System, das dir immer diesen negativ anmutenden Beiklang vom kleinen Mädchen, vom weiblichen Geschlecht mitgegeben hat. Weil als weiblich identifizierst du dich schon irgendwie, aber halt nicht als so ne Romantikerin, Heulsuse oder Mutti. Ne, du bist schon eine:
Starke Frau.
Und du fühlst dich damit gut und empowered und das ist eigentlich total schön. Und das sollte dir auch niemand kaputt machen wollen. Weil dieser Begriff gibt dir Kraft und Identität und auch Mut, wenn es dir gerade mal nicht so gut geht und du wieder mehr ein kleines Mädchen als eine starke Frau bist. Obwohl du ersteres gar nicht mehr sein willst und letzteres in solchen Momenten eben zerfällt. Aber du denkst nicht darüber nach, dass nicht das kleine Mädchen das Problem ist, sondern ein klassisches Geschlechterverständnis, aus dem beide entspringen und die starke Frau eben das nur genauso reproduziert. Du fragst dich auch nicht, warum niemand von starken Männern spricht. Aber warum sollte man auch? Der Mann ist ja an sich stark, liegt halt auch in seiner Natur und Biologie, da muss man das nicht extra erwähnen. Anders halt bei Frauen.
Starke Frauen.
Klar, wenn du so überlegst, was oder wer so starke Frauen sind, dann sind das nicht unbedingt alle. Dann denkst vor allem an Schlagzeilen, an Fremdzuschreibungen und an gewisse Stereotypen, die immer starke Frauen sind. So ein Stereotyp, der sich das verdient eine starke Frau zu sein, weil es halt körperlich messbar ist. Ja, dabei kann man schon bemerken, dass diese Frauen dann oft auch andere maskulin anmutende Attribute haben oder absolut weg von diesem ganzen klassischen girly-sein sind. Aber das findest du nicht unbedingt schlecht, weil das ja auch manchmal in Wirklichkeit und nicht nur bei Brienne so ist. Außerdem ist das ja auch divers. Und es ist ja nun wirklich nicht so, dass nur androgyne Frauen als starke bezeichnet werden. Ne, auch Karrierefrauen können das sein. Solche, die was erreicht haben und für was einstehen. Oder eben die was Krasses überwunden haben. I’m a survivor und what doesn’t kill you makes you stronger. So Persönlichkeiten, die um etwas kämpfen können, das sind:
Starke Frauen.
Vielleicht ist es nicht nur Zufall, dass in solchen popkulturellen Kontexten diese starke Frauen einen Gegenentwurf zu der konventionellen weiblichen Figur bilden und eher ein Äquivalent zu der männlichen sind. Aber warum solltest du das kritisieren? Weil es ist doch gut von diesen Stereotypen abzuweichen. Zugegeben wenn man so weiterdenkt, könnte man bei diesen Beispielen irgendwie auf den Schluss kommen, dass die starken Frauen sich ihr Adjektiv nur verdienen, weil sie sich aus dem klassischen Eigenschaftenpool der Männer bedienen. Aber wenn du so argumentieren würdest, dann wäre ja auch dein eigenes Denken noch in einem klassischen System behaftet, weil du natürlich weißt, dass es keine männlichen Eigenschaften gibt, denn du bist ja eine
Starke Frau.
Und du meinst das wirklich eigentlich nur gut mit diesem Begriff. Für dich selbst und für deine Freundinnen. Und diese Stereotypen, die sind ja nur in deinem Kopf. Das ist ja dein Problem, nicht das Problem des Begriffes. Denn wenn du durch deinen Instagramfeed scrollst, dann siehst du ganz viele tolle Frauen – manche sind so richtig schön, andere machen tolle Kunst, wieder andere sind durch was richtig Tolles berühmt, die ein oder andere kennst du noch von früher und fast alle haben ein richtig super Leben – und für dich sind das alles starke Frauen. Du bewunderst sie ein bisschen, manche mehr andere weniger, aber du würdest schon gern manchmal ein bisschen mehr wie sie sein. Eben auch so eine
Starke Frau.
Und kein kleines Mädchen. Weil starke Frauen sind eben Vorbilder und mit sich im Reinen. Und das ist wichtig und wahr. Und Vorbilder sind super, aber Repräsentation auch. Und manchmal da findest du dich eben auch in dem kleinem Mädchen wieder, das für dich auf gar keinen Fall eine starke Frau sein kann, weil es zu schwach, zu sanft, zu sehr irgendwas ist, um stark zu sein. Das glaubst du zumindest. Weil die starken Frauen, die du kennst oder gern sein würdest, kein individuelles, vielfältiges und allumfassendes Verständnis von Weiblichkeit repräsentieren. Man spricht immer über eine Gruppe, spricht man über
Starke Frauen.
Niemals würdest du von einem starken Mann sprechen. Und so fügt sich die starke Frau perfekt in patriachale Strukturen ein. Und du dich auch irgendwie mit deinem h&m-Shirt. Aber du hast dir das ja aus einem komplett anderen Beweggrund im Sale gekauft, eben um was zu verändern und genauso ist doch bestimmt auch der Begriff entstanden. Und klar, wenn man auf das Etikett schaut, dann hat der Begriff halt seine Schwierigkeiten, aber die Message ist ne ganz andere.
Und dann muss man doch nicht so genau sein. Dann ist es schon okay.
Oder?