Stell dir nur vor: Europa. Sagt Georg. Hoher Leistungsaufwand, hoher Lebensstandard. Sagt Georg. Wie sollen wir da mithalten? Asien im Rücken, mit einer wachsenden Bevölkerung, rapide ansteigender technischer Entwicklung und einer gebildeten Mittelschicht, die weder Ruhe noch Rast kennt. Sollte Afrika, und vieles spricht dafür, in den nächsten Jahren eine ähnliche Entwicklung durchmachen, wie stehen wir dann da? Herausragend, sag ich dir, sagt Georg, denn, so sehr Europa auch in der Effektivität der Produktion hinterherhinkt, umso stärker kristallisieren sich unsere Möglichkeiten heraus, sagt Georg. Verwaltung. Management. Organisation. Sagt Georg. Das mag zunächst nach Schönreden, einer gefährlichen wirtschaftlichen Klemme klingen, sagt Georg, aber überleg doch einmal. Mit zunehmendem Produktionsaufwand innerhalb der Schwellenländer wird ein Apparat notwendig, der innerhalb einer globalisierten Gesellschaft nicht nur Verteilung und Verkehr überschaut, sondern auch Personal generiert, das sich durch Übersicht, Denken im ganz großen Rahmen auszeichnet, sagt Georg, sozusagen eine Managementelite des globalen Wirtschaftssystems, sagt Georg. Wer außer uns? Denn: Die Amerikaner haben sich durch ihre wechselhafte Außenpolitik als äußert unzuverlässiger Partner erwiesen, und umso deutlicher erscheint die Neutralität des europäischen Wirtschaftsstandortes als idealer Boden zur Heranzucht einer Kultur- und Verwaltungsgesellschaft, sagt Georg, in der eine Generation von Managern, Marketing-Spezialisten und Finanziers darauf warten, sagt Georg, den richtigen Anstoß zu bekommen. Bildung, Soft-Skills und Kultiviertheit: Dadurch definiert sich der Europäer, sagt Georg, die Welt schaut gespannt zu uns herüber und erwartet Führung, Anleitung, wegweisende Entwicklungen, sagt Georg. Betrachte zum Beispiel die Schweiz, sagt Georg, ein Erfolgsbeispiel reservierter Außenpolitik, Zurückhaltung und historisch-politischer Konsequenz, sagt Georg, einer erfolgreichen Finanzpolitik, sagt Georg, und, das trotz oder gerade aufgrund lächerlich hoher Lebensstandards, sagt Georg, bei denen sich der Export non-spezialisierter Produkte kaum lohnen würde, sagt Georg, wäre da nicht das Image, sagt Georg, Schweizer Schokolade, sagt Georg, Schweizer Käse, sagt Georg, Urlaub in der Schweiz, sagt Georg, und genauso, sagt Georg, müssen wir es anfangen, sagt Georg, denn ein Chemiewerk in C., sagt Georg, das würde sich ja nicht mehr lohnen, not in the grand picture, nicht in Zeiten des Outsourcings, sagt Georg, aber! Das Wissen. Die jahrhundertelange Vorreiterschaft Europas, sagt Georg, Im Bereich der Verbindung von Industrie und Lebenskunst, sagt Georg, die ihren Zenit im Image hat, sagt Georg, in der Fähigkeit, zu vermarkten und vermarktet zu werden, sagt Georg, lässt Europa, sagt Georg, zur Bastion, sagt Georg, nein, zum Leuchtturm, sagt Georg, der Hoffnung werden.
Sagt Georg.
Sagt Georg.
Sagt Georg.
Lukas fragte sich, ob es sich um einen Fleck auf der Kamera handelte. Wochenlang hatte er die Neubauten fotografiert, und erst jetzt fiel ihm, inmitten des Lichtkegels, eine Form in den verschiedensten Aufnahmen auf, immer an unterschiedlichen Orten, manchmal im Dämmerlicht einer Laterne, dann wieder unter den Dächern herausragend. Dagegen sprach, dass der Schatten, den er glaubte, wiederzuerkennen, niemals dieselbe Position im Bild einnahm, andererseits konnte es genauso gut eine Störung des Geräts, ein Flimmern des Objektivs sein.
Er wurde unruhiger. Hatte die Einsicht, auch C. besäße seine Dämmerzustände und Ungenauigkeiten, ihn für einen Augenblick entspannt, schienen die Schatten sich erneut gegen ihn zu verschwören. Wo er ursprünglich nur Chaos und Verschwommenes vermutete, begann eine neue, undeutlichere Systematik. Undurchsichtiger als seine bisherigen Skizzen: ein Huschen in den Gestalten.
Im Fenster stehen zwei Porzellanschwäne, die Köpfe einander so zugeneigt, dass ihre Hälse die Form eines Herzens beschreiben. Ohnehin verfolgt dieses Herz die Hauseingänge, Fensterläden und Türmatten des Ortes; überall strahlt es hervor und behauptet, dass nur hinter diesem Fenster, auf genau dieser Türschwelle Liebe zu finden sei. Und manchmal denke ich dann: Was würde geschehen, wenn die Schwäne zum Leben erwachen, würden sie, gurrend, sich nähern, die porzellanenen Schnäbel aneinanderschlagen, dass ein helles Klirren aus den Fenstern dröhnt, und würden sie die Hälse umeinander winden, bis die Keramiken zerbrächen?