hedonismus supererogation
By JohannVanbeek - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22707081

Hedonismus und Supererogation

Hedonismus

Ich frage mich, warum es so schwierig ist das „Richtige“ zu tun, warum wir nicht alle Utilitarist*innen sind, sondern Lüsten, Trieben und Ego folgen. Je nachdem welche Person man fragt, wird man eine andere Antwort darauf erhalten was überhaupt das Richtige ist. Verschiedene philosophische, religiöse und politische Strömungen vertreten dazu widersprüchliche Positionen. Der Punkt ist, dass wir – ich zumindest – es nicht mal schaffen immer das zu tun, was wir selbst für das Richtige halten.

Der zweite Teil der Frage enthält nicht weniger Probleme. Die Idee des freien Willens geriet schon mit Descartes ins Wanken. Behaviorist*innen gehen davon aus, Menschen würden Verhalten aufgrund von Konditionierung1vgl. Klassische und operante Konditionierung, z.B. nach Pavlov und Skinner, also den erwarteten Konsequenzen eines Verhaltens, zeigen. Humanistische Psycholog*innen setzen diesem Menschenbild eines entgegen, dass Intentionalität beinhaltet, nach Selbstverwirklichung und Generativität strebt.

Verständlicherweise bevorzuge ich das humanistische Menschenbild, aber wenn ich mich umschaue, vermag das Behavioristische unser hedonistisches Verhalten weitaus besser zu erklären. Der psychoanalytische Begriff des Ego lässt sich nicht empirisch belegen, liefert jedoch gute Erklärungen dafür, warum Menschen nicht das „Richtige“ tun. Epikur zeichnete ein edles, buddhistisch anmutendes Bild des Hedonismus, sprach davon sich im Garten umzuschauen und ein einfaches Stück Käse zu genießen. Diese Definition ist meiner Argumentation nicht dienlich, denn ich spreche nicht von einfachen Genüssen, sondern von jenen Handlungen, von denen wir von vornherein wissen, dass sie negative Konsequenzen für andere Personen und auch für uns haben werden und die wir trotzdem ausführen.

Vielleicht gab es zu Epikurs Zeiten weniger negative Konsequenzen oder zumindest kein Bewusstsein für sie. Beim Verzehr eines Käses stellt sich die Frage, ob es nicht besser wäre aufgrund von Tierwohl und Klima auf tierische Produkte zu verzichten. Ich werde hier die Position der Hedonistin einnehmen, denn ich träume vom Guten und tue ständig das Falsche. Weil ich vom Guten träume, las ich hunderte Seiten utilitaristischer Denker. Ich glaubte ihnen sogar und nahm mir vor einige Dinge fortan anders zu machen. Ohne auf Differenzierungen und Details einzugehen, lässt sich der Utilitarismus als eine Ethik beschreiben, die vom Hedonismus ausgehend behauptet, Menschen würden nach Glück streben.

Da sich alle Menschen Glück wünschen, ist die Maximierung des Glücks bzw. die Verringerung von Leid das oberste Ziel. Handlungen werden danach beurteilt, ob die Konsequenzen ihrer Ausübung zu Glück oder Leid führen. Dabei wird nicht nur die handelnde Person in Betracht gezogen, sondern alle von der Handlung betroffenen Personen, wobei Bentham und Singer Tiere mitbedenken2Singer definiert den Begriff „Personen“ als Organismen, die Leid empfinden können. Demzufolge sind Ratten Personen, aber Amöben nicht. Ich übernehme diesen Personenbegriff, da viel hier Besprochenes sowohl auf Menschen als auch auf Tiere zutrifft. Dieser Vorgang wird als Prinzip der gleichen Interessenabwägung bezeichnet. Singer unterscheidet dabei zusätzlich zwischen kleinem und großem Leid, Lustlosigkeit wiegt weniger schwer als eine existentielle Bedrohung.

Die Maximierung des Glücks zum obersten Prinzip zu erklären ist einleuchtend, zur Erreichung arithmetisch vorgehen zu wollen ist gleichermaßen nachvollziehbar wie unmöglich. Selbst wenn man wollte, ist es unmöglich alle Konsequenzen einer Handlung zu überblicken, um das dadurch entstehende Glück und Leid zu wiegen. Mehr als der mangelnde Überblick steht dieser Vorgehensweise das menschliche Gehirn im Weg. Behaviorist*innen untersuchen Lernen und Verhalten empirisch, dabei wird davon ausgegangen, dass Personen Handlungen wegen ihrer antizipierten Konsequenzen ausüben. Auch hier geht es um Glücksmaximierung, jedoch werden andere Personen nicht mitbedacht.

Die Belohnung durch Dopamin dabei spielt eine zentrale Rolle und erklärt warum Menschen oft Dinge tun, die sie als falsch erachten. Trotz des Bewusstseins, dass eine Handlung glücklich macht, aber anderen Leid zufügt, oder sich jetzt gut anfühlt, aber in Zukunft negative Konsequenzen für die handelnde Person haben wird, ist es verlockend ihr und der damit verbundenen Dopaminausschüttung zu erliegen. Utilitarist*innen beschreiben einen (utopischen) Soll-Zustand, Behaviorist*innen den Ist-Zustand. Eine Cabriofahrt mag Lust verschaffen, aber aus utilitaristischer Perspektive gilt es die damit einhergehende Umweltverschmutzung zu bedenken, weswegen eine unnötige Autofahrt unterlassen werden sollte. Die behavioristische Perspektive fordert kein moralisches Abwägen, sie beschreibt lediglich die Handlung, die aufgrund antizipierter Kontingenzen ausgeführt wurde.

Fraglich ist, ob es sich lohnt utilitaristisch zu handeln. Singer hebt hervor, moralisches Handeln könne helfen einen Sinn im Leben zu finden, der darüber hinausgehe einem Ziel nach dem anderen hinterher zu jagen3Vgl. Singer, 2018, S. 510 f. Die Moral mag dabei helfen Sinn und Orientierung zu finden, insbesondere in der heutigen Zeit, in der religiöse Dogmen an Bedeutung verlieren und immer mehr Wege begangen werden können. Das Gefühl etwas Gutes zu tun und sich zu verbessern ist erfüllend, was erklärt, warum manche Menschen ihre Moral so vehement verteidigen.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Johann Vanbeek