Pfeil und Bogen Pfeil und Bogen
  • Radar
  • Visier
    • Glätte und Reibung
    • Abgebogen
    • Die Beute
  • Sehnen
    • Pfeilchen und Bogen
  • Das Feld
    • Die Eleganz
    • Getroffen
    • Leipziger Buchmesse Lexikon
  • Radar
  • Visier
    • Glätte und Reibung
    • Abgebogen
    • Die Beute
  • Sehnen
    • Pfeilchen und Bogen
  • Das Feld
    • Die Eleganz
    • Getroffen
    • Leipziger Buchmesse Lexikon
  • Impressum / Datenschutz
Pfeil und Bogen Pfeil und Bogen
Pfeil und Bogen Pfeil und Bogen
  • Radar
  • Visier
    • Glätte und Reibung
    • Abgebogen
    • Die Beute
  • Sehnen
    • Pfeilchen und Bogen
  • Das Feld
    • Die Eleganz
    • Getroffen
    • Leipziger Buchmesse Lexikon
  • Radar

Der vergessliche Riese

  • 3. Februar 2020
  • Katharina Diemer
Der vergessliche Riese - David Wagner
Der vergessliche Riese – David Wagner
Total
0
Shares
0
0
0

«Nein, da steht:
„David (Sohn) kommt morgen, 24.12. Gegen Mittag.»
«Sieh an, ich bekomme also Besuch, wie schön!»
«Er ist schon da, dein Besuch.
Ich bin’s doch. Ich bin dein Besuch. Ich bin dein Sohn!»
«Stimmt. Du bist es ja. Hatte ich kurz vergessen.»,
sagt er und schaut mich an,
als ob er sich nicht ganz sicher wäre.

Langsam und still, so entschwindet dem früher so starken Familienvater die Erinnerungen an sein Leben – an die Familie, die Freunde, die Arbeit. «Eine Familie, die einen Rollentausch erlebt», das beschreibt David Wagners autobiografischer Roman «Der vergessliche Riese». David Wagner, so heißt auch der Protagonist im Roman, nimmt seinen Vater an die Hand, eine Hand, die «[ihm] nun gar nicht mehr so groß vorkommt wie früher. Sie war mal riesig, jetzt fühlt sie sich an wie eine Kinderhand.»

«Du glaubst nur deiner Erzählung.»
«Du kennst dich in meinem Leben jetzt also besser aus als ich?»

Drei Jahre. Solange begleitet der Roman Vater und Sohn. Zwei Jahrzehnte haben sie sich kaum gesehen, jeder hat sein Leben gelebt, doch jetzt nähern sie sich wieder einander, erleben einen Neuanfang. David ergreift die Hand seines Vaters, nimmt ihn mit, ja, er kennt sich in dessen Leben nun wirklich besser aus. Er erzählt ihm von seiner ersten Frau, von seiner Zweiten, den Kindern, den Geschwistern, der Arbeit, besucht Orte, füllt zusammenhangslose Erinnerungen mit Leben. Stück für Stück sammelt er die Scherben des alten Leben des Vaters auf, fügt es zusammen wie ein Puzzle.

«Weißt du, Freund, ich vergesse alles.
Ich schreibe mir Sachen auf, damit ich sie nicht vergesse –
und dann vergesse ich, dass ich sie aufgeschrieben habe.
Es ist, wie Tante Gretl gesagt hat:
Die Dublany sind intelligent,
im Alter aber werden sie alle blöd.»

Mal erzählt der Vater von Terroristen, die Davids Mutter versteckt hielt, bis sie Jahre später in der DDR verhaftet wurden oder wie er um ein Haar an einer Straßensperre erschossen wurde. Dann ist er verwirrt, kennt den Ort, in dem er lebt, nicht, weiß nicht, wie seine erste Frau hieß, oder seine Zweite. Anfangs sind es nur Namen oder Orte, die dem vergesslichen Riesen nicht einfallen, anfangs kann er Zuhause wohnen bleiben, polnische Haushaltshilfen ziehen ein und aus, dann kommt der Vater in ein Heim.

«… ertappe mich bei einem miesen Überlistungstrick:
das Kind ablenken oder bestechen,
um es dazu zu bringen, etwas zu tun,
worauf es keine Lust hat.»

Das Leben mit einem an Demenz erkrankten Verwandten und was es aus einem macht, damit setzen sich in den vergangenen Jahren viele Romane auseinander. Ähnlich wie David Wagner beschreibt Arno Geiger in seinem Roman «Der alte König in seinem Exil», wie seinem Vater langsam sein Leben entgleitet und wie Geiger ihn auf diesem Weg begleitet. Und auch Saša Stanišić beschreibt in seinem mit dem Deutschen Buchpreis 2019 ausgezeichneten Roman «Herkunft» die Beziehung zu seiner an Demenz erkrankten Großmutter.

«Deine Mutter war meine erste Frau, oder?
Sie hieß … sie hieß … –
ja wie hieß sie noch mal?
Und wie hieß meine zweite Frau?»
«Sie hieß … – hab ich vergessen, Papa.»
«Fängt das bei dir auch schon an?
Ist das nicht ein bisschen früh?»
«Es fällt mir sicher wieder ein.»

Behutsam, aber eindringlich, so erzählt Wagner von Zeit und Abschied und Loslassen. Von der Vergesslichkeit des Vaters und von der Nähe, die es zwischen Vater und Sohn schafft. Hauptsächlich in Dialogen gehalten und mit leiser Komik. Wagner schafft eine beeindruckende, lebendige Lektüre, die trotz der schweren Thematik, leicht und mit Kraft erzählt wird und nicht umsonst Preisträger des Bayerischen Buchpreises 2019 in der Kategorie Belletristik ist. Der Sohn kann langsam Abschied nehmen und doch bleibt der Vater. «Der Vergessliche Riese» schafft tröstend und beruhigend ein gelungenes Andenken an ihn.

Bild mit freundlicher Genehmigung von rowohlt
Total
0
Shares
Share 0
Tweet 0
Pin it 0
Related Topics
  • Demenz
Katharina Diemer

2000 in Köln geboren und aufgewachsen, studiert zurzeit Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim.

Voriger Artikel
Verantwortung
  • Radar

Verantwortung und Gleichgültigkeit

  • 1. Februar 2020
  • Janila Dierks
Weiterlesen
Nächster Artikel
Odile Kennel
  • Radar

in einer sprache sex haben, die keine drei brauchbaren wörter für sexualorgane kennt

  • 5. Februar 2020
  • Antonie Partheil and Tabea Gesche
Weiterlesen
Dir könnte auch gefallen
Nadire Biskin
Weiterlesen
  • Radar

„Bildung tut weh”

  • Freya Petersen
  • 18. April 2022
Eurotrash Christian Kracht
Weiterlesen
  • Radar

Spiel über das Spiel

  • Felix Lucas Ernst
  • 28. Januar 2022
Clemens J Setz
Weiterlesen
  • Radar

Ein Tänzeln in jeder Ecke

  • Felix Lucas Ernst
  • 21. Juli 2021
Weiterlesen
  • AusSicht: Bücher in der Krise
  • Prosanova 2020
  • Radar
  • Visier

„Die Dinge sind so, wie sie sind“

  • Malu von Marschall
  • 17. September 2020
„Otto“ von Dana von Suffrin
Weiterlesen
  • Prosanova 2020
  • Radar

Ein bisschen hiervon, ein bisschen davon: „Otto“

  • Anna Rebecca Jacob
  • 10. September 2020
Weiterlesen
  • Radar

Warum ich nicht mehr mit cis Menschen über mein Geschlecht spreche, sondern sie darüber lesen lasse

  • Casjen Griesel
  • 20. August 2020
Find me - Finde Mich
Weiterlesen
  • AusSicht: Bücher in der Krise
  • Radar
  • Visier

FIND ME — FINDE MICH

  • Eve Bernhardt
  • 13. August 2020
Nicht wie ihr - Tonio Schachinger
Weiterlesen
  • AusSicht: Bücher in der Krise
  • Prosanova 2020
  • Radar
  • Visier

Nicht nur Fußball

  • Katrin Griebenow
  • 30. Juli 2020

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Viel gelesen
  • slow reading club 1
    Slow Reading Club 1
    • 26. Januar 2023
  • 2
    Slow Reading Club 2
    • 17. Januar 2023
  • route 3
    Der Krieg, meine Oma und die Flucht
    • 16. August 2022
  • Krieg Ukraine 4
    Google: KRIEG [unvollständig]
    • 19. Juli 2022
  • Flieder heult 5
    Flieder heult
    • 19. Juli 2022
Neu
  • Titelbild zu Juri Andruchowytsch Roman "Geheimnis"
    Was ist das “Geheimnis”?
    • 19. Juli 2022
  • Topik
    Eine leere Topik oder: Entwurf einer Behauptung
    • 19. Juli 2022
  • mosaik
    Algen ·موزاییکМозаїка فسيفساء Mosaik
    • 19. Juli 2022
Pfeil und Bogen
  • Über uns
  • Pfeil und Bogen
  • Alle Autoren und Autorinnen

Gib dein Suchwort ein und drücke Enter.