«Fuck Neukölln, wir müssen raus.»
Gropiusstadt interessiert kein Schwein alter, sowas will niemand lesen. Is Berlin, weißte? Haste sicher noch nie gehört, aber Dings, die Christiane F. vom Bahnhof Zoo is hier aufgewachsen, famste Neuköllnerin ever. Aber kennst ja nur die Prenzlberger Hipsterscheiße, die Philosophiespacken mit ihren fuckcapitalism-Absturzparties, das is dein Berlin, und kein Plan haste. Der Lobrecht fickt sowas wenn der ein Buch über sein Ghetto schreibt, der kommt selber Neukölln, is hundertpro selber oft genug von den Kanaken geboxt worden. Geh mal nachts Lipschitzpark, dann weißte was es heißt Deutscher zu sein. Sozialer Brennpunkt, Dicker, Geschichten die das Leben schreibt: Wenn Djamel Cem Hurensohn nennt, töten Cems Brüder Djamel, Punkt. Drogen, Arbeitslose, BVG-Bitches und Halbstarke, die mit Schlagring und Pfefferspray ihre Zukunft ficken. Lak, komm klar auf dein Elendstourismus. Dit is dein Neukölln, wa? Hast dir schon tausendmal gegeben, dröhnt wie Amphe, kriegste nich genug. Aber ungelogen, passiert kaum sowas richtig Krasses in das Buch.
Der Lobrecht tickt gestreckten Shit. Immer nur so, fuck, gleich töten die den Lukas, das Opfer, cüs, da geht dir Joint aus beim Lesen und du wartest, jetzt macht doch ma!
Aber nee, machen die nich, kommt immer heil raus der Hundesohn, aus jeden Dreck. Nich ma Julius kassiert und der hätte verdient, schwör. Brechen in Schule ein und klauen Computer, ballern mit Schreckschuss aufm Zwicke rum, prügeln mit den Arabertickern, voll krasser Shit, und dann passiert? Nix. Nich so wie hier, Dings, Clemens Meyer in sein Neunzigerjahreleipzig, wo sich alle seitenweise übertrieben auf die Fresse geben. Da muss auch ma einer in Knast, ja. Hat der Lobrecht kein Bock drauf, der lässt den Lukas lieber erstma einen mit sein berlinernden Kubanerhomie dübeln. Kommt vielleicht noch der Gino mit bisschen Wodkamische rum, wenn sein Alter nicht wieder rumstresst, dann läuft das. Willste Plot? Kriegste lame Einbruchsstory. Willste Atmo? Kriegste Sprache, die manchmal voll wegflasht, weil die so real ist und manchmal bloß son Gelaber, von wegen was die jetz grad denken, dies das, halt so als würd mans nich selber checken. Hier so: „Er guckt hektisch nach links und rechts wahrscheinlich hat er Angst, dass ihn irgendwer beim Schwänzen erwischt.“ So erklärt der Lukas eim dann, wies bei ihm so läuft und was jetzt was bedeutet. Und zeigt uns so dreimal pro Woche assigen Schulalltag, weil zweites Mal Sitzenbleiben auch nich so nice is. Lukas is aber was besonderes, nich so typisch Machospasst. Gibt so Stellen, Dings, da nennt er sich einfach „Opfer“, gibts einfach zu. Cüs was? Hat wohl von sein Bruder gelernt, der war früher voll auf Ehre, aber hat so gemerkt, dass Gewalt nur Spirale is. Schwör, voll weise.
«Fuck Neukölln, wir müssen raus.» Gar nich so easy die richtige Haltestelle zu erwischen, wenn man besoffen ist. Bruder, so schlimm isses da nich. Inshallah schafft ers sogar irgendwann raus aus sein Block. Gibst ihm am Ende Ghettofaust drauf: «Wallah, pass auf dich auf.»
Felix Lobrecht: Sonne und Beton. Roman. Ullstein 2017, 224 Seiten