Maximilian Wenger ist ein Auslaufmodell, ein sogenannter Mann der alten Schule und ein Frauenheld. Doch nach Jahrzehnten im Rampenlicht und zahlreichen Skandalen scheint die Zeit des Schriftstellers vorbei zu sein: Seine Frau Patrizia verlässt ihn für einen Jüngeren, im Leben ihrer gemeinsamen Kinder kommt er eh schon seit Jahren nicht mehr vor, seine Bücher floppen, und er vergräbt sich in Selbstmitleid.
Wengers 18-jährige Tochter Zoey steht indes vor dem Erwachsenwerden, vor den Erwartungen ihrer Eltern und ihren eigenen Wünschen. Sie plant ihre Zukunft und hat Hoffnungen für ihr Leben, doch eine Reihe schmerzhafter Erlebnisse führen ihr deutlich vor Augen, was es bedeutet, eine Frau zu sein.
Auf einmal erhält Wenger Briefe von einer fremden Frau, an den Vormieter adressiert, die so voller Wut und Poesie sind, dass mit einem Schlag das Leben in ihn zurückkehrt. Er ist bewegt und inspiriert, so wie damals durch die Geschichten der Prostituierten deren Stimmen Wenger seinen Durchbruch geschenkt haben. Er weiß nicht, dass Zoey dieselben Briefe liest, denselben Schmerz und dieselbe Wut spürt. Die Worte der Fremden treiben beide zu radikalen Entscheidungen – die doch komplett unterschiedlich ausfallen.
Mit klarer, kompromissloser Sprache schafft Mareike Fallwickl es in ihrem zweiten Roman scharfsinnig Themen wie sexuelle Gewalt, die Wirkkraft sozialer Medien, Männlichkeitsbilder, Privilegien und Machtgefälle über die Stimmen ihrer beiden Hauptcharaktere zu durchdringen und verbindet diese mit großem Einfühlungsvermögen nahtlos mit dem Innenleben ihrer Figuren. Es ist diesem tiefen Einblick geschuldet, dass die jähen Wendungen der Geschichte ebenso politisch wie persönlich berührend sind – und dass der Unterschied zwischen privilegiertem Unbehagen und gerechter Wut erfahrbar wird, als ob man selbst vor einem Abgrund stünde.
„Und vielleicht liegt es daran, dass Wenger generell überhitzt ist, was dieses Thema angeht, weil alle nur noch über sexualisierte Gewalt reden, über Weinstein und Einvernehmen und Gerechtigkeit, weil ihn das alles schon so wahnsinnig aufregt, dass er jetzt so reagiert.“
Der gesamte Roman steht im Zeichen des aktuellen Geschehens, die Handlung spielt zur Zeit des Skandals um den US-Regisseur Harvey Weinstein und der „Me Too“-Debatte. Es wird eine Frau vergewaltigt, eine andere belästigt. Es geht um die Grenzen zwischen Männern und Frauen, ums Neinsagen und darum, wie Opfer sich fühlen, wenn sie nicht ernst genommen werden. Und es geht um alte weiße Männer, die nach „Me Too“ gelernt haben, was sie nicht mehr sagen und machen dürfen, die aber noch lange nicht immer verstehen, warum das so ist.
„Dass Männer Frauen übervorteilen, unterdrücken und missbrauchen, muss ein Ende haben. Wir haben das viel zu lange getan, und jetzt, da die Frauen Gleichberechtigung verlangen, sollten wir einfach nur froh sein, dass sie keine Rache wollen.“
Ja, „Das Licht ist hier viel heller“ ist eine unglaublich vielseitige und spannende Geschichte, die zum Nachdenken, Mitfühlen und Sich-Hinein-Versetzen einlädt – uneingeschränkte Leseempfehlung.